von Daniela Neuwirth
Um nicht herzlos zu wirken oder gar spöttisch, fragt Gina weiter, ob dies jetzt spaßig gemeint war oder sie tatsächlich in diesen Februarmonaten ohne beheizte Räume auskommen muss. Die Frau erzählt ihr offenherzig, dass bei ihr Donnerstagabend, die hinteren Heizkörper in der Wohnung kalt blieben, dann freitags die mittleren und Samstagvormittag die gesamte Heizungsanlage ohne Funktion blieb, wobei die Raumtemperatur bereits unter 16 Grad gesunken war.
„Wenn ich vom Keller hochkam, war es im Treppenhaus wärmer als in der Wohnung. Ich habe mit Pyjamas, Socken, Mütze und Handschuhen geschlafen und mit Handtüchern alle Fensterunterseiten abgedichtet, um die feinen, kalten Luftzüge am Eindringen zu hindern. Das hätten Sie mal sehen sollen!“ Gina versucht sich vorzustellen, in eine kalte Wohnung nach Hause zu kommen, wenn man sich doch gerade so auf die warmen Heizkörper, vor allem in Bad und Wohnzimmer freut.
„Bis ich dann am nächsten Tag pitschnass vom Regen nach Hause kam und weder Mantel noch Schuhe am Heizkörper trocknen konnte. Das war der Moment, wo ich Mitternacht im Treppenhaus am schwarzen Brett nach der Notfallnummer des Hausmeisters gesucht habe. Und nun bin ich aber immer noch völlig durchkältet, obwohl alle Heizkörper wieder funktionieren und die Wohnung in allen Räumen bereits warm ist.“
Die geheimnisvolle Frau reibt sich die Hände und hält die Handinnenflächen der beeindruckenden Feuerstelle entgegen. Gina dreht sich zu Mr. Big und flüstert: „Ich glaube, die meint das ernst.“ Dieser ist damit beschäftigt, die friesischen Texte der Lieder und Sprüche auf dem Handout, dass ihm zugesteckt wurde, zu übersetzen und hat nicht zugehört. Sie will ihn nicht stören. Die redselige Frau winkt sie wieder zu sich, während die Brandung immerwährend an das sandige Ufer wogt. An deren Hals blitzt ein Medaillon mit eingestanztem Krebs-Zeichen.
Im Dunkel der Nacht flirrende Funken und glosende Teilchen schweben durch die erhitzte Luft rund um den Holzberg. Es knarrt und knistert. Murmelnde Menschen bilden einen Kreis rund um das Biikefeuer, haben gerötete Gesichter und Hände. „Sie glauben nicht, was mir passiert ist.“
Gina tritt interessiert näher an sie heran. „Soll ich Ihnen etwas erzählen? Sie würden es mir nicht glauben.“ Neugier kriecht ihren Bauch hoch in die Kehle, aktiviert das hochsensible Hörvermögen. „Ja, wenn sie schon so anfangen machen sie mich neugierig.“ Die Frau lacht laut. „Ne, ne. Das kann ich Ihnen nicht zumuten“, und verziert nun imaginär das ohnehin schon in verführerische Goldfolie verpackte Geschenk mit dekorativ schmückender Schleife und macht einen doppelten Knoten an der Oberseite.
„Es ist genug Zeit. Das Feuer dürfte noch länger hochflammen“, versucht sich Gina als geduldige Zuhörerin schmackhaft zu machen, wenn die Frau schon so sehr danach lechzt und hebt ebenfalls die Hände an, streckt sie der Hitze entgegen. „Also, wenn Sie nun unbedingt wollen, dann hören Sie mal gut zu…“
© Daniela Neuwirth 2023-02-12