von Elfriede Quell
Er hieß Emilio. Nein, nicht er hieß, ich bete, dass es ihn noch gibt. Vor zwei Tagen stieß ich auf einen Karton mit einer Menge Briefe. Und ich fand: Fünf Briefe, eine Ansichtskarte, einen Weihnachtsgruß von Emilio, einem blonden Spanier, damals, im Jahre 1982 (!) in Zürich lebend. Ich lernte ihn in einem Disco-Tempel auf Ibiza kennen. Wir verbrachten sieben Tage und sieben Nächte zusammen. Und waren so verliebt. Doch ich musste Abschied nehmen, denn ich war verheiratet und der Ehemann wartete. Emilio flehte mich an, bei ihm zu bleiben, für immer. Ich bestieg das Flugzeug nach Wien. Es war August. Rasch schrieb ich Emilio. Er antwortete mir prompt, gestand mir seine große Liebe zu mir. Wir schrieben und schrieben…Immer wieder bat er mich nach Zürich zu kommen. Er hatte dort ein Tanzstudio. Es kamen Briefe von ihm von Japan und London. Im Jänner 1983 besuchte er mich in Wien. Drei Tage, drei Nächte – traumhaft schön. Meine Ehe ging dem Ende zu, im März ließ sich mein Mann scheiden. Emilio schrieb noch einen Brief. Dann hörte ich nichts mehr von ihm. Warum das so kam, ich weiß es nicht mehr, kann es nicht erklären.
Nun las ich seine Briefe. Fand eine Adresse in Zürich. Damals. Würde er dort noch wohnen? War er noch am Leben? Wo hielt/hält er sich in der Welt auf? Fragen über Fragen. Doch ich dachte nicht lange nach, verfasste einen Brief an Emilio mit der vorhandenen Adresse und bat den Empfänger, den Inhalt des Schreibens an Emilio weiterzuleiten, wenn möglich. Ja, wenn möglich. Es sind vierzig Jahre vergangen. Und ich möchte diesen Mann so ungeheuer gerne wieder sehen. Er wäre der Mann gewesen, der so zu mir gepasst hätte: Künstler, feinfühlig, tolerant, klug. Ich bete tatsächlich, dass er mir antwortet. 40 Jahre sind doch keine Zeit!
© Elfriede Quell 2020-12-30