Also seine Bilder. Das versteht fast keiner. Ich auch nicht. Doch, ein paar Leute verstehen es. Die, die bei Christie’s mitgeboten haben, als das Werk „Hommage à Matisse“ aus 1954 im November 2005 den Rekordpreis für ein nach 1945 gemaltes Bild erzielte: 19 Millionen Euro.
Rothko wurde 1903 als Marcus Rothkowitz im heutigen Lettland geboren, er beging 1970, bereits weltweit berĂĽhmt, in seinem New Yorker Atelier Selbstmord.
Ich kannte ihn nicht, bis zur strengen Mal-Klausur bei Prof. Giselbert Hoke 2005 im Kornspeicher des Schlosses Halbenrain bei Radkersburg, Steiermark. Da hieß es eines Tages nach dem „Morgengebet“ (Vorbesprechung): Heute malt ihr mir ein Bild, so gewaltig wie die von Mark Rothko! Und zeigte uns eines mit drei farbigen Balken. Die Aufgabe war, blau, schwarz und ein bisschen was von einer anderen Farbe so zu „streifen“, dass man den Eindruck haben sollte, der Himmel stürzt mit apokalyptischer Wucht auf uns hernieder. Aha.
Irgendwas hat mich sofort an diesen Bildern total fasziniert. Meine Balken gelangen, recht dĂĽster und wuchtig. Die Schwere hab ich halbwegs getroffen. Arg deprimierend. Aber das Material, mit dem wir arbeiteten, war einfach wunderbar. Braunes Packpapier. Die Farben aus Pigmenten vom Assistenten des Meisters, der selber ein Meister war und fĂĽr Hoke den Gesellen spielte, jeden Tag frisch angerĂĽhrt.
Im dicken Wälzer „Kunst des 20. Jahrhunderts“ steht: „Auch Rothko wollte… den Raum unmittelbar durch die Farbe und ohne Realitätsbezug erlebbar machen. Es schweben rechtwinkelige, an den Rändern sich auflösende Farbstreifen vor nicht exakt zu definierenden Räumen. Rothkos Farbgefühl hat seinen Ursprung in einer konkreten Erfahrung: dem Erlebnis der unbebauten, weiten Landschaft Amerikas. Die Ferne und die Endlosigkeit des Raums, das Verschwinden des eigenen Ichs in der Weite erfuhr der Maler in Oregon. Von einem erhöhten Standpunkt aus überblickte er die leere, in weiße Nebel getauchte Landschaft… Seine Werke sind Variationen über das Thema Unendlichkeit…abstrakte Ikonen… dem zudringlichen Blick sich versagend… ziehen auf schweigsame Weise den Betrachter in ihre von einem verborgenen Licht erfüllten Räume…transzendentale Erfahrungen… Farbe ist Emanation des Lichts, sie steigt, wie Cezanne gesagt hat, von den Wurzeln der Welt auf.“
Und dann stand ich eines Tages im MOMA, Museum of Modern Arts in New York, wie angenagelt vor einem solchen Erlebnisraum. Und er lässt mich nicht mehr los, der Kerl. Ich weiß es nicht, warum. Dass er Selbstmord begangen hat, kann es ja wohl nicht sein. Dass er in Lettland, damals Russland, geboren wurde, schon eher.
Das ist nämlich ein weiteres Mysterium in meinem Leben, dass ich irgendwas mit Russland hab. Ich weiß nicht genau, was. Ich spaziere in Graz an Orte, schaue die irgendwie aus der Zeit gefallenen Villen an. Und erfahre im Nachhinein, dass da Russen gelebt haben Anfang des 20. Jahrhunderts. Kann natürlich auch alles nur ein Zufall sein.
© 2021-02-05