Jagd auf die Nackten

JanGroenhain

von JanGroenhain

Story

Das Weißenbachtal liegt zwischen Attersee und Bad Ischl. Am dortigen Wasserlauf gibt es große Schotterbänke mit romantischen Badeplätzen. Ein Geheimtipp, aber nicht wirklich geheim. Während der Mittelschulzeit verbrachten wir dort manchen Nachmittag, verbunden mit Bier und einer abendlichen Grillerei.

Bekannt war das Gelände damals auch als FKK-Zone und wildes Erotikparadies. Das förderte den Zulauf an Besuchern, gab es in diesem Jagdrevier doch immer etwas >Spannendes< zu sehen.

Wir befanden uns im Vorjahr in einem Viersternhotel mit modernem Wellnessbereich. Die Saunalandschaft war sehr gepflegt, mit Abkühlbecken und Ruhebereich im Freien. Wir hatten es uns dort auf zwei Liegen bequem gemacht und genossen die Entspannung.

Plötzlich bemerkte ich ein seltsames Surren, konnte es nicht zuordnen, bis ich eine Drohne am Himmel erkennen konnte, vielleicht fünf Meter über uns. Offenbar war hier jemand auf der Jagd nach spannenden Ausblicken.

Heuer beschäftigen wir uns vermehrt mit Einwanderern, ungebetenen Gästen. Sie haben keinen Asylantrag gestellt, hatten es gar nicht versucht. Es wäre ihnen nicht gewährt worden. Wir mögen sie nicht, sie sind eine Plage. Dennoch beanspruchten sie ihren Platz.

Sie sind Exhibitionisten, ganz nackt treiben sie sich herum. Sie lieben Dunkelheit und Feuchtigkeit. Da fühlen sie sich sicher und wohl. Zudem sind sie Zwitter. Ihr Liebesspiel dauert glatte 3 Stunden, bei welchem sie, kreisförmig umschlungen, fast unbeweglich verharren. Sie vermehren sich namensuntypisch schnell. Andererseits sind sie kannibalisch veranlagt, schrecken vor nichts zurück. Außer vor Kaffee, den mögen sie gar nicht.

Eigentlich sind sie nett anzuschauen, aus einer gewissen Entfernung. In hübschen Rot- und Brauntönen treten sie in Erscheinung, mit eleganten Längsstreifen. Figurmäßig kommen manche einer Zuckerschnecke nahe. Sie sind aber nicht süß wie Nußschnecken, geschweige denn genießbar. Sie hinterlassen Spuren. Schleimspuren, im Schneckentempo. Sie sind immens gefräßig. Deshalb verabscheuen wir sie. Salat, Blumen, Kräuter. Nichts ist vor ihnen sicher. Sie verschlingen alles mit unersättlicher Gier.

Deswegen werden sie gejagt. Morgens, abends, täglich. Unterschiedliche Strategien kommen infrage. Sind sie ertappt und ziehen sich zusammen, kann man sie fangen und in heißes Wasser werfen. Die humanste Art des Mordens. Oder sie mit Bier anlocken, wo sie betrunken jämmerlich ersaufen. Hat man Igel oder Laufenten im Haus, können die das Mörderhandwerk übernehmen. Haben wir aber nicht. Unsere Methode ist die Schere. Schnipp, und das schleimige Leben ist ausgehaucht. Ein tägliches Procedere.

In anderen Ländern agieren jedoch nicht Mörder, sondern Jäger dieser Spezies, die Schneckenschleimsammler. Und verarbeiten den Schleim zu Kosmetikprodukten. Soll unsere Haut regenerieren und gut sein gegen Falten und Akne. Echt schleimig!

Jagd auf Nackte. Ein vielfältiges Thema.

© JanGroenhain 2020-09-13

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