von FranzForFuture
Probenpause. Ich schlenderte zum Regie-Tisch, sah, dass da eine Videokassette mit der Inszenierung von Otto Schenk liegt. Ich hatte die Oper „Rosenkavalier“ noch nie gesehen und fragte deshalb verwegen den Regisseur: „Darf ich mir diese Kassette bis morgen ausborgen?“ Er: „Ja, gerne.“
Am nächsten Tag brachte ich die Kassette noch vor Probenbeginn zurück. Herbert Wernicke, der Regisseur, fragte mich: „Und, wie finden Sie es?“ Ich hätte lügen können, aber seine entwaffnend offene Art forderte eine ehrliche Antwort: „Die Musik ist toll. Aber die Inszenierung ist furchtbar!“
Wernicke grinste mich an und sagte: „Finde ich auch. Wir machen das besser.“
Meine Rolle war einer von vier Jägern im Gefolge des Baron Ochs von Lerchenau. Ziemlich zu Beginn der Probenzeit ordnete die Regieassistentin an: “Ab jetzt nicht mehr zum Friseur und nicht mehr rasieren.“ Die Maskenbildner ließen unsere Haarpracht unangetastet, einzig unsere Nasen wurden rot geschminkt. Wir waren wilde, versoffene Gesellen mit Lederhosen und Gamsbärten. Unsere Gewehre tauschten wir im Lauf des Stücks gegen Weinflaschen… Wir bohrten in der Nase, benahmen uns rüpelhaft und jagten das weibliche Hauspersonal über die Bühne. In einer Szene raufte ich sogar mit dem Oktavian (Ann Murray). Als sich dieser zur Wehr setzte, flog ich in hohem Bogen in die Kulisse. Als Statistenchef Ernst Andres dies zum ersten Mal sah, erkundigte er sich bestürzt, ob ich mir weh getan habe. Nein, es war alles inszeniert. Ich machte diesen Stunt in jeder Vorstellung.
Eine unserer Aktionen wurde von jedem Kritiker erwähnt: Wir marschierten quer über das riesige Bett der Marschallin. Das war eine von diesen witzigen Spontanideen beim Inszenieren. Ich erinnere mich noch gut. Der Regisseur ruft: „Jäger, jetzt müsst ihr zum Ochs hinübergehen!“ Wir setzen uns in Bewegung und beim Bett angekommen, rufe ich dem Regisseur zu: „Vorne oder hinten vorbei?“ Und er antwortet mit einem Lachen: „Grad drüber!“ Das taten wir glatt. Es passte hervorragend zur Rolle. Große Heiterkeit im Zuschaueraum.
Bei den Aufführungen hingegen lachte niemand. Schade. Eigentlich trägt diese Oper den Untertitel „Komödie für Musik“… Aber offenbar ist in den Augen der Opernliebhaber der “Rosenkavalier” unantastbar und muss auch als Posse seriös und ernst sein.
Die Kritiker, allen voran Karl Löbl, fanden an dieser Neuinszenierung der Salzburger Festspiele wenig Gutes. Wilhelm Sinkovicz schrieb in der “Presse” hingegen sehr wohlwollend: “Ochsens Gefolgschaft, bestehend aus einigen veritablen Wurzelseppen, latscht mir ihren Schießgewehren durchs Bett. [..] Man kann diesen Rosenkavalier sogar verträumt verlassen. Wenn man ihn nicht als heiliges Kulturgut betrachtet, das keine Relativierung verträgt.”
Da Statisten in Zeitungskritiken äußerst selten Erwähnung finden, war hinsichtlich dessen diese Inszenierung für mich ein großer Erfolg.
© FranzForFuture 2021-06-09