von Emma Breuninger
Mein mexikanischer Ehemann und ich trennten uns in Frieden, Anfang 1991 kehrte ich nach Deutschland zurück. Unser Sohn kam mit mir. Der Vater blieb in Mexiko. Wenige Monate später im Sommer kam er uns besuchen. Wir verbrachten einige schöne Wochen zusammen.
Ein Bruder meines Ex-Mannes hatte ihn gebeten, ihm einen bestimmten Magenbitter aus Deutschland mitzubringen. Leider hatte mein Ex-Mann den Namen vergessen. Wir rätselten herum, welcher Magenbitter gemeint sein könnte und kamen auf das Ergebnis: Es kann eigentlich nur Jägermeister sein.
Nein, meinte er, der Name fing anders an, irgendetwas mit “U”, aber trotz intensivstem Grübeln, wir kamen nicht auf den Namen. Selbst mein Cousin, Gastronom in München, konnte nicht helfen. Wir kauften also ein paar der kleinen handlichen Fläschchen mit Jägermeister.
Eines Tages dann, an der Kasse eines Supermarktes, kam die Erleuchtung. Da standen Fläschchen mit Underberg. Das war es. Also wurde noch Underberg gekauft.
Diese ganze Diskussion um den Namen des vom Onkel in Mexiko gewünschten Magenbitters hat unser Söhnchen, 5 ½ Jahre alt, natürlich mitbekommen.
Im April 1992 musste ich mit Sohnemann nach Frankfurt zum mexikanischen Konsulat, um dringend etwas zu erledigen. Ausgerechnet jetzt gab es Streik im öffentlichen Dienst. Der direkte ICE-Zug früh morgens fiel aus. Wir nahmen den Regionalzug bis Stuttgart, stiegen dort in einen anderen ICE um und waren um 9.30 Uhr in Frankfurt. Ich dachte, der öffentliche Verkehr in Frankfurt sei aufgrund des Streiks eingestellt, also ging es mit einem Taxi zum Konsulat. Schnell war dort alles erledigt, nun noch irgendwo etwas essen. Jemand sagte, U- und S-Bahnen würden fahren, nur die Straßenbahnen und Busse nicht. Doch ab 12.00 Uhr werden die wohl auch streiken.
Wir beeilten uns, gingen zur nächsten S-Bahnstation und warteten auf die S-Bahn zum Hauptbahnhof. Am Bahnsteig viele Menschen, alle nervös und angespannt. Die S-Bahnzüge kamen, fuhren wieder weg; die Waggons hatten alle irgendeine Reklame aufgeklebt. Unsere S-Bahn sollte in 5 Minuten kommen.
Da fuhr auf dem Gegengleis wieder ein Zug ein. Mein Sohn erkannte die Reklame, zeigte auf die Waggons und rief ganz laut: “Mama, schau, Jäääägermeister…!”
Die Leute schauten auf, viele grinsten, andere lachten. Kindermund hat Gold im Mund!
© Emma Breuninger 2021-01-17