Japan Miniaturen (2)

Elisabeth Parth

von Elisabeth Parth

Story

Wir leben in einer ruhigen Wohngegend mit geschätzt doch etwas mehr älteren Menschen im Ruhestand als jungen Familien. Wobei älter nicht selten rund um die oder weit über 80 bedeutet. Begegnungen mit diesen älteren Nachbarn sind mir immer eine Freude, auch wenn mein Japanisch dem Gespräch nicht immer gewachsen ist. Irgendwie versteht man sich schon. Eine ältere Nachbarin lebt sehr zurückgezogen. Ich sehe sie höchstens dann, wenn sie in ihrem Garten kniet um Unkraut zu zupfen oder etwas zu ernten und manchmal denke ich mir, dass der große Hut, den sie immer trägt, nicht nur als Abschirmung gegen die Sonne dient. Ein Fenster ihres Hauses ist straßenseitig, deshalb konnte ich sehen, dass hinter dem Vorhang kleine Figuren stehen. Eine Katze mit Wackelkopf, ein Hase. Vor ein paar Tagen, eine Veränderung, Katze und Hase waren nicht mehr allein. Nun, Anfang Mai wird in Japan kodomo no hi (der Tag des Kindes) gefeiert, unter anderem mit koi nobori, Fahnen in Form von bunten Karpfen, die in kleinerer Ausführung von Häusern und Balkonen wehen, in großer entlang von Flüssen, manchmal sogar in Flüssen – oder als kleine koi nobori Figurine, hinter dem Vorhang am Fenster meiner Nachbarin. Da ich gerne ein Foto davon machen wollte, habe ich sie um Erlaubnis gebeten und dafür von einer nicht mehr ganz so scheuen Nachbarin das schönste Lächeln des Tages geschenkt bekommen. Mittlerweile hat sich das Arrangement wieder geändert. Katze und Hase sind wohl die Grundbesetzung, im Figurenensemble statt koi nobori nun aber ein Eisbär mit rotem Halstuch und ein grüner Frosch mit Koffer.








Glossar:

kodomo (Kind), hi (Tag), no (gramm. Partikel)

kodomo no hi (der Tag des Kindes) – in Japan ein nationaler Feiertag, jeweils am 5. Mai

koi (Karpfen), nobori (Fahne, Banner)

koi nobori – Karpfenfahnen, ab April bis Anfang Mai


© Elisabeth Parth 2025-05-17

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Informativ, Reflective