von Joachim Salmann
„Das stimmt. Rote Kreuze gab es schon lange vor mir.“ Das Zugeständnis kam aus der humanistischen Ecke.
„Bist Du nicht Henry Dunant, der den ersten Friedensnobelpreis gewonnen hat?“
„Gewonnen? Ich habe ihn für mein Lebenswerk verliehen bekommen. Und am Anfang war da auch kein Sieg, sondern die Schlacht von Solferino.“
„Und wer hat die Schlacht damals gewonnen?“
„Oh, das hatte ich in der Schule auch gelernt, wer wann gegen wen gewonnen hatte. Was ich nicht gelernt hatte, war, dass es in einem Krieg nur Verlierer gibt.“
„Als Soldat sieht man viele Gräuel und viel Leid.“
„Ich war nicht Soldat. Ich war Geschäftsmann und war nie in einer Schlacht. Aber ich habe gesehen, wie Verwundete von beiden Seiten nach einer Schlacht zurückgelassen wurden und sinnlos elend krepierten. Wir konnten kaum helfen.“
„Und niemand hat sich für sie eingesetzt?“
„Zum einen war das zu gefährlich. Woher sollte man wissen, dass der, der dazukam, nur helfen und nicht kämpfen wollte? Und woher sollten die Leute wissen, wie man Verwundete pflegt? An diesen beiden Punkten wollte ich ansetzen. Wir brauchten erst einmal ein neutrales Erkennungszeichen. Neutraler als die Schweiz geht nicht, also drehte ich einfach die Farben um: Rotes Kreuz auf weißem Grund.“
„Und das wurde anerkannt?“
„Wenige Jahre später wurde die Erste Genfer Konvention unterzeichnet. Das Rote Kreuz symbolisierte Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. Jeder Unterzeichner der Genfer Konvention verpflichtete sich, das Schutzzeichen zu respektieren.“
„Und wie lernten dann die Leute, wie man Verwundete pflegt?“
„Wir haben die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung gegründet, in der Menschen sich darauf vorbereiteten, im Kriegsfall helfen zu können. Natürlich ist dieses Wissen auch im Gesundheitswesen, bei Unfällen, bei Großereignissen und im Katastrophenfall nützlich.“
„Und was hat das Rote Kreuz nun mit der Corona-Pandemie zu tun?“
„Eine Pandemie greift über Staaten hinweg, die nicht gut miteinander reden können. Da können wir vermitteln, damit die Ursachenforschung und Hilfe unparteiisch laufen kann. Die Epidemie überrollt Länder, Regionen und Gebiete, sodass die normalen Strukturen überfordert sind. Mit internationalen wie regionalen Krisen kennen sich Rot-Kreuz-Mitglieder inzwischen aus. Und sie bringen medizinisches, pflegerisches, betreuendes, technisches und administratives Wissen mit, das in Solferino fehlte.“
© Joachim Salmann 2024-02-16