von AnaMaria
Kapitel 1
“Dummes Arschloch“, dachte ich mir, als ich gerade meinen Koffer für meinen Flug nach N.Y. eincheckte. Das ist doch gar nicht dein Vokabular, ging es mir gleich danach durch den Kopf. Und es stimmte auch für mein Leben 2 Monate vor dem Abflug. Ich glaube, ich sollte Ihnen erzählen, wie es zu dieser verbalen Entgleisung kam.
Mein Leben war perfekt gewesen. Ich war gerade 30 Jahre alt geworden, hatte seit 6 Jahren einen Partner mit dem ich mich gut verstand, so gut sogar, dass wir beschlossen hatten zu heiraten. Auch im Job lief es gut, ich hatte Freundinnen, mit denen ich mich gerne und regelmäßig traf. Die Liste der Dinge, die ich hier aufzählen könnte, ist lang. Zu lange, denn ich möchte unbedingt loswerden, was mich zu den zwei Wörtern am Anfang veranlasst hat.
Sie ahnen es schon.
Ich war ganz im Fieber der Hochzeitsvorbereitungen als ich erfuhr, dass mein Verlobter sich nicht nur mit mir sehr gut verstand. Nun ja. Das sagt sich so leicht, aber den Moment, an dem ich erfuhr, dass ich betrogen wurde, werde ich wohl mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen.
Hätte ich etwas bemerken müssen? Gab es Anzeichen, die alle sahen, bloß ich nicht. Wollte ich sie nicht sehen, weil doch alles so perfekt war in meiner Seifenblase? Jeder, der schon einmal betrogen wurde, kennt das Gefühl. Es ist so, als würde man tatsächlich den Boden unter den Füßen verlieren, als würde sich die Welt und die gesamte Vergangenheit auflösen wie diese bunten Bodenbilder aus Sand, die man aus Asien kennt. Weg, verwischt, nie mehr so, wie es einmal war.
Ich flüchtete aus unserer Wohnung und fand erstmal bei meiner Schwester Unterschlupf. Denn eines konnte ich nicht. In unserem einstigen “Nest“ bleiben, so wie mein Verlobter unsere Wohnung immer nannte, und an die Trümmer meiner Beziehung erinnert werden. Meine Reaktion war Flucht. Versöhnung kam nicht infrage, nachdem ich die ganze Geschichte gehört hatte.
In meiner Familie, meinem Freundeskreis und auf meiner Arbeit war ich dafür bekannt, dass ich eine ruhige und recht starke Persönlichkeit war. Nach außen. In mir jedoch fühlte es sich an, als hätte ich drei Tage in folge auf einer Achterbahn verbringen müssen. Mir war übel. Ich könnte nicht schlafen. Wie auch? Auf einer Achterbahn. Ich konnte nur an eines denken: Mein Leben war vorbei. Zumindest so, wie ich es gekannt und geliebt hatte. Vorbei, für immer.
Mein Körper reagierte ungefähr eine Woche nach der Nachricht, ich wurde krank und bekam hohes Fieber. Zum Glück war meine Schwester da, die sich liebevoll um mich kümmerte und zusah, dass ich wenigstens Flüssigkeit zu mir nahm. Etwa zwei Tage nach der schlimmsten Phase hatte ich wieder Kraft aufzustehen. Meine Schwester war auf der Uni und ich war alleine. Immer noch schwach machte ich mir eine Tasse Tee und setzte mich an meinen Laptop.
Dass ich an diesem Tag die Weichen für mein neues Leben setzen würde, war mir natürlich nicht klar. Nur eines wusste ich. Diesem Anfang wohnte KEIN Zauber inne.
© AnaMaria 2021-02-09