Jeder bekommt, was er verdient

Knut Petersen

von Knut Petersen

Story

Das Logo des niedlichen Ladens, ließ vermuten, dass es hier Kaffe und ähnliches gab. Freundlich werde ich begrüßt. Eine ältere Dame sitzt gemütlich hinter dem auffällig flachen Tresen. Mit meinen Händen versuche ich einen Becher pantomimisch darzustellen, während ich gleichzeit langsam und deutlich das Wort „Coffee“ artikuliere. Ihr „OK“ ist für mich ausreichend. Mit Wünschen nach Milch und Zucker jetzt alles zu verkomplizieren, scheint mir unangebracht. Ich mache es mir gemütlich – in der Hoffnung zeitnah einen genießbaren Kaffee serviert zu bekommen.

Zusammen mit einem himmlisch duftenden Kaffee, gibt die Dame mir einige Minuten später einen Zettel, auf den sie liebevoll rätselhafte Schriftzeichen geschrieben hat. Mir ist aufgefallen, dass es im ganzen Laden keine Tafeln mit Ziffern gibt, die irgendwie auf Preise hinweisen würden und auch auf dem Zettel stehen überraschenderweise keine Zahlen.

Die 100 Dollar in bar würden wohl reichen, um die Dame zu bezahlen. Selbstbewusst lege ich einen 5 Dollar Schein auf den Tisch. Interessiert prüft sie die druckfrische Geldnote. „Oh, Moonee.“ Ihre Miene verzieht sich, während sie mahnend mit dem Zeigerfinder winkt. „No Moonee.“

Ich hatte nicht vor, sie zu beleidigen. Dennoch wurde ich den Eindruck nicht los, dass ich sie mit der 5 Dollarnote provoziert hatte. Wenn sie kein Geld wollte, was wollte sie dann vor mir? Ich beschließe, den geschenkten Kaffee dankbar anzunehmen und mich schnell, aber höflich wieder auf den Weg zu machen. Die alte Dame hat wohl einen guten Tag heute.

Geblendet von der Sonne trete ich mit geneigtem Blick aus dem kleinen Coffee Shop. Ich stehe auf einem der weiträumigen Plätze, die großzügig über die Altstadt verteilt sind. Gemütlich wirkende Sitzgruppen der zahlreichen Restaurants laden zum Sitzen im Freien ein. Vielleicht bekomme ich ja auch noch eine freie Mahlzeit.

Die Speisekarte zeigt Bilder von köstlichen Speisen. Wieder weist nichts auf irgendwelche Preise hin. Ich bestelle mir ein großzügiges Menü durch reines Fingerzeigen. Während die Bedienung meine Bestellung geduldig aufnimmt, bringt mir ein weiter Kellner bereits ein Gefäß mit einer dampfenden Flüssigkeit.

Überwältig von der Gastfreundlichkeit, lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und genieße die Atmosphäre. Plötzlich spricht mich ein Mann von der Seite auf Englisch an: „Hello Friend, how do you like our town?”

„It’s like paradise.“ Ich nutze die Gelegenheit, um von ihm zu erfahren, was mir schon seit dem Coffee Shop auf der Seele brennt und frage, wieso man mir alles zu schenken scheint.

“Everyone here get, what they deserve.”

Im selben Moment stellen die beiden Kellner mehrere Teller vor mich und reichen mir Besteck.

© Knut Petersen 2021-04-18

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