Joghurt von vorn oder von hinten

Sonja M. Büttner

von Sonja M. Büttner

Story

Jeder hat dieses Experiment sicherlich schon einmal gewagt. Und einige haben ebenso gewiss auf jede Wiederholung verzichtet. Ich möchte nicht abstreiten, dass es auch Experten auf diesem Gebiet gibt oder es auch andersherum sein kann. Aber, Hand hoch, wer hat seinen Partner schon mal zum Einkaufen geschickt, notgedrungen? Weil keine Zeit, weil krank, weil… weil halt. Wohl gemerkt MIT Einkaufsliste!

Hierbei, wie schon gesagt, unterscheidet man Anfänger von Experten und natürlich die Zwischenstufen.

Blutiger Anfänger: Du schickst ihn los und weißt in dem Moment eigentlich schon, dass du keine ruhige Minute haben wirst. Nicht etwa, weil du dich fragst, ob er es schafft, sich zurechtfindet oder gar im Supermarkt verloren gehen könnte. Nein. Weil alle drei Minuten dein Handy klingelt und ihr dann zweieinhalb Minuten diskutiert, welche der zehn verschiedenen Ketchup-Sorten nun die Richtige ist und warum. Außerdem wirst du wahrscheinlich Informationen über Zusammensetzungen und Nährwerte bekommen, die du bisher entweder gekonnt ignoriert hattest oder dir schon seit Urzeiten bekannt sind. Der Einkauf dauert so drei Stunden statt einer halben und du bist mehr beschäftigt, als wenn du selbst gegangen wärst.

Der Fortgeschrittene hingegen war schon mal mit, kennt sich im Supermarkt zwar nicht wirklich aus, weiß aber zumindest welche Verpackungen er regelmäßig im Haushalt sieht oder mit dem Müll nach draußen bringt. Es dauert eineinhalb bis zwei Stunden und es kommen achtzig Prozent der Liste richtig an, zwanzig Prozent gingen daneben oder wurden vielleicht vergessen. Dafür gibt es zusätzliche zwanzig Prozent zur Auswahl, die man eigentlich gar nicht verlangt oder gebraucht hätte, der Partner jedoch zufällig auf seiner Reise durch die unendlichen Weiten des Supermarkts gefunden hat.

Zum Experten gibt es wohl am wenigsten zu sagen. Er geht, befolgt die Liste, ist zügig zurück und hat vielleicht noch zwei, drei Sachen dabei, von denen er selbst gemerkt hat, dass sie zur Neige gehen.

Anders ist der „Könner“. Er braucht etwas länger als der Experte, geht nach Liste und kommt zu neunzig Prozent mit dem Richtigen zurück. An sich ein guter Schnitt. Wären da nicht diese zehn Prozent! Zu jedem Artikel, der falsch ist oder vergessen wurde, gibt eine Erklärung, Ausrede oder gar eine große Diskussion. Das Mehl fehlt: „War aus.“ Gut, heutzutage gar nicht mal SO unwahrscheinlich. Warum die teuren Nudeln? „Haben mir von der Form so gut gefallen. Ist mal was anderes.“ Ein anderes Öl: Es folgt die Erläuterung zum besseren Nährstoffverhältnis. Der Joghurt mit MHD von morgen. „War der von vorn oder von hinten?“ Und du siehst bereits an seinem Gesicht, dass er keine Ahnung hat, wovon du sprichst. Folglich ist die Antwort eigentlich schon klar, aber wir wollen ihm noch eine Chance geben. „Hast du ihn aus den vorderen Reihen genommen oder hinten rausgeholt.“ – „Wann willst du ihn denn essen?“ – „Heute.“

Der Auftakt einer Grundsatzdiskussion.

© Sonja M. Büttner 2022-06-06

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