Worüber meine Oma und ich uns stundenlang unterhalten konnten, war Fußball. Sie war zwar bei weitem nicht so bewandert wie ich, aber sie hörte meinen Schilderungen, der letzten Real Madrid Spiele immer begeistert zu. Nur um mich dann mit dem Satz “Na und? Die kochen schlussendlich auch nur mit Wasser“ zu eliminieren.
Es gab einzelne Spiele über die sie gerne erzählte. Zum Beispiel das Semifinale 1978 zwischen Austria Wien und Dynamo Moskau. Die Partie, obwohl sie offensichtlich wahnsinnig spannend war und erst im Elfmeterschießen von den Violetten gewonnen wurde, war ihr mehr oder weniger egal. Aber ihr Sohn, mein Vater, war damals als Polizist im Stadion. Obwohl ich das Match nie gesehen habe, habe ich von den Erzählungen meines Papas und meiner Oma einen ungefähren Eindruck wie brutal die Stimmung damals gewesen sein muss. Letzter Elfmeter durch Martinez. Die Sekunden vor dem Anlauf. Totenstille im bummvollen Praterstadion. Martinez läuft an, schießt und knallt den Ball links ins Tor. Austria im Finale des Europacups. Das Stadion explodiert.
Aber egal, ob meine Berichte von großen Spielen der Königlichen oder Erfolge der Veilchen anno dazumals. Meine Oma hatte einen Favoriten im Fußball und der kam aus dem weiten Westen des Landes. Wacker Innsbruck hatte es ihr angetan. Das erste Mal erlebte ich ihre Sympathie für diesen Verein als ich an einem Sonntagnachmittag bei ihr auf der Couch saß und im ORF ein Spiel zwischen Sturm und Wacker lief. Normalerweise war sie, wie man bei uns sagt, sehr gleichweit, was die Leistung irgendwelcher Mannschaften betraf. Aber in diesem Spiel dominierten die Blackies aus der steirischen Hauptstadt und Oma schien sich deutlich mehr zu ärgern als sonst. Am Ende gewann Sturm ziemlich klar, ich glaube 3-0. Oma war, wie man so schön sagt, not amused. Obwohl man nicht in frischen Wunden bohrt, musste ich doch fragen: “Sag Oma, warum spinnstn jetzt? Bist du Wacker Fan?”
Und dann gings los. Fan? A wo. Aber sie mag halt die Schwarz-Grünen aus Tirol. Die sind ihr sympathisch. Damals noch als FC Tirol. Unvorstellbar wie schön die damals Fußball gespielt haben. Das war zum Anschauen. Und dann der deutsche Trainer dort. Der, der jetzt Nationaltrainer bei den Piefke ist. Der Jogi Löw. Das war ein fescher Kampl. Ich höre Oma zu und bin perplex. Das hätte ich ihr niemals zugetraut. Sie schildert mir Spiele, aus einer Zeit als mir Fußball noch Wurscht war, als wären diese vor einer halben Stunde zu Ende gegangen. Ich sehe ein eigenartiges Strahlen in ihren Augen. So wie wenn ich von Raúl und Casillas erzähle. Damals, das war halt noch Fußball. Heute sind doch eh alle gleich und spielen den selben Motschka. Außer der Hofmann bei Rapid. Das ist ein Spieler wie er sich gehört. Auf das konnten wir uns einigen. Dass der Löw ein fescher Kampl ist, darüber haben wir noch lange diskutiert.
© Florian Hauenschild 2023-04-14