von SimsalaGin
20. August, 1997
War´s der zwanzigste August? – Ich hab keine Ahnung, doch es fühlt sich nach wie vor wie ein zwanzigster August an. Der Tag war noch jung und die Sonne brannte auf den Asphalt. Meine Hand, noch winzig und mit Marmelade verklebt, lag in seiner. Aufgeregt zog ich an seinem Arm. “Papa, fahrn wir jetzt?“
In meiner Erinnung hat er genickt. Die Tür des schwarzen Mercedes Benz w201 geöffnet und mich in den abgenutzten Kindersitz auf der Rückback geschnallt. Ich sehe seine eisblauen Augen im Rückspiegel, wie sie mich mustern und sich kleine Lachfältchen darum bilden. Er hat den Wagen gestartet, schob eine Kassette in das Radio und fuhr los. – I keep a close watch on this heart of mine. I keep my eyes wilde open all the time -, klang es durch den Wagen. Er kurbelte sein Fenster runter, zog eine Marlboro aus der abgewetzten Tschickschachtel, die immer in der Brusttasche des Jeanshemds steckte, das er trug.
Noch ein Blick in den Rückspiegel, dann zischte das Feuerzeug und der Geruch vom Tabakrauch vermischte sich mit der Sommerbriese, die beim offenen Fenster reinströmte.
Der fertiggerauchte Tschickstummel flog auf die Straße raus, der Wagen wurde langsamer und stoppte vorm Stadeltor der Oma. Die Oma ist die Mama vom Papa und ihr Haus war nicht groß, dafür gemütlich und urig. Aus dem Sitz geholt, lief ich gleich los. Rein zur Tür.
Die Oma kochte irgendwas, der Opa saß in seinem Ohrensessel und übte sich im grantig schauen. Nach ein paar Gesprächsfetzen, einem Kaffeetschi und einem Blick ins Kochhäfen, wurde ich wieder an der klebrigen Hand genommen und wir verabschiedeten uns. Die Oma ist uns gefolgt. Sie griff in die Schürzentasche, steckte mir einen Zehner zu und tätschelte mir den Kopf. Papa bekam den üblichen Schulterklopfer.
Nochmal winken dann marschierten wir zwei davon. Die steile Einfahrt runter. Der heiße Asphalt glühte unter meinen Plastiksohlen. Meine Kopfhaut juckte vom Schweiß, der sich dort angesetzt hatte. Doch das war wurscht.
Da waren mein Papa, mit seinen blauen Augen, seiner Levis Jeans, dem verschwitzten Hemd, dazu einen braunen Westernhut auf dem Kopf, und ich. Nach ein paar Schritten drangen die ersten Klangfetzen der Musik an mein Ohr. – Well, way down yonder on the Chattahoochee. It gets hotter than a hoochie coochie. –
Mit jedem weiteren Schritt konnte ich die bruzelnden Bratwürstel und das warme Sauerkraut riechen. An den Straßenrändern, wo man auch hinsah, waren Stände mit Spielzeug, billigen Gwandfetzen und Schaumrollen aufgestellt. Dort, wo sonst stinkende Autos fuhren, tummelten sich Menschen.
Irgendwo dazwischen stoppten wir. Er drückte mir eine klebrige Schaumrolle in die eine Hand, griff wieder nach der anderen und zog mich weiter durch die Masse. Die Luft war geschwängert von Musik, Gesprächen, Kindergeschrei, Lachen, Hitze und guter Laune.
Am Ende saß ich glücklich, das Kleid voll süßem Eischaum, in einem Festzelt. Ich ließ die Beine von der Bierbank baumeln und war zufriedener denn je.
© SimsalaGin 2022-03-16