Jonny – Berlin bei Nacht

Valerie Vonroe

von Valerie Vonroe

Story

Nach drei Wochen unserer gemeinsamen Zeit veranstalteten wir ein riesiges Grätzelfest. Alle kamen, es war Mega. Jonny und ich, wir strahlten um die Wette. Vor so viel Liebe und so viel Erfolg. Waren manche auch anfangs skeptisch – was brauchen wir eine Ösi hier bei uns – liebten sie mich jetzt. Sie schätzten uns, zwei Teile als ein Ganzes. Die Mitternachtseinlage war ein Tango, nein nicht irgendeiner. Der Ursprung aller Tangos – Por Una Cabeza. Wir waren Eines, es war… ja einfach ein unbeschreiblich schönes Gefühl.

Natürlich hatten wir zwei Türlsteher im Dienst, Charly kam mit finsterer Miene auf uns zu. Die Alte steht vor der Tür und möchte rein… Ganz sicher nicht sagten wir gleichzeitig. Raphaela wärst du so lieb es ihr persönlich mitzuteilen, sagte Jonny. Die Gesellschaft hielt den Atem an, dass war eine Auszeichnung, die es offensichtlich noch nie gegeben hatte. Eine Frau als Boss.

Die Party lief zur Hochform auf, wir hatten es geschafft – die Alte hatte keine Macht mehr.

Irgendwann landeten wir im Bett, glĂĽcklich, erfĂĽllt von Liebe. Ich war nur im Augenblick, dachte nicht daran wie ich die Miete meiner Wohnung zahlen sollte, was mit meinem Job ist und all diesen Kram.

Er war diese gottvolle Wahnsinnsmischung aus Engel und Teufel. Er hatte so viel Liebe in sich und konnte so kuschelweich sein. Wir lagen in der Löffelstellung und ich wollte das DAS niemals aufhört. Er gab mir das Gefühl von totalem Beschütztsein. Er zog mein Gesicht zu seinem und wir küssten uns. Es gab kein Morgen, es gab nur uns. Im nächsten Moment war er ein Mann aus Stahl ohne jede Regung. Er war ein Zerissener, genau wie ich.

Ein Handy klingelte, ich kuschelte mich noch näher zu Jonny. Was sollte jetzt so wichtig sein? Es klingelte nochmals. Ich brummelte vor mich hin als Jonny aufstand. Bin gleich wieder da mein Engel flüsterte er mir ins Ohr. Ich zog seinen Polster näher zu mir und fühlte mich wie ein Embryo.

Ein lauter Knall, in einer Millisekunde stand ich beim Fenster, ich konnte nicht atmen. Mein Auto brannte lichterloh.

In der nächsten Sekunde stand Rosalie in der Tür. Du musst weg – SOFORT. Die Situation ließ keine Fragen zu. Ich zog meine Sachen an, die neben dem Bett verstreut waren. Rosalie drückte mir meine Tasche in die Hand. Sie zerrte mich in den Keller, öffnete eine Türe und sagte unter Tränen: Lauf, so schnell du kannst. Du landest am Bahnhof. Nimm den ersten Zug, egal wohin er fährt.

Ich begann zu laufen. Wenn du jemand begegnest der dich aufhält – sag „Sonntag scheint wieder die Sonne“, rief sie mir noch nach. Ich wollte mich fallen lassen und sterben, sofort. Trotzdem lief ich weiter. Eine Pistole vor meinem Gesicht stoppte mich. Ich hatte die Wahl, man hat immer die Wahl.

Ich wollte schreien, weinen, mich in Luft auflösen. Mir war so kalt, steif lag ich am Bett, meine Augen starrten Löcher in die Decke. Jeder Atemzug war eine Überwindung.

Sie hatte mich gemeint, sie wollte mich töten – die Alte.

Jonny ist in mein Auto gestiegen, er ist fĂĽr mich gestorben.

© Valerie Vonroe 2020-09-27

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