Als Hobby-Autor kommt man an einem der berühmtesten Künstlercafés in Wien nicht vorbei. Dem Hawelka. Ein typisches Altwiener Kaffeehaus in der inneren Stadt, mit einem abgewetzten Interieur, dass im Grunde noch auf das Jahr 1913 zurückgeht.
Ich bin in der Stadt, weil ich mich ins Auditorium des YSA gemischt habe. Und am nächsten Tag mische ich mich als Tourist unters gemeine Volk. Ein verregneter Samstag nachmittag, das Hawelka berstend voll. Bekannte Künstler wie Friedrich Achleitner, H.C. Artmann, André Heller, Friedrich Torberg, Helmut Qualtinger und viele andere gingen hier einst ein und aus und machten das Café weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Unsterblich machte es Georg Danzer, als er von einem Nackerten im Hawelka sang. Ich behalte meine Kleidung an, als ich vom Trottoir ins Etablissement trete. Mit viel Glück erhasche ich einen kleinen Tisch inmitten der kaffeetrinkenden Meute. Die Luft zum Schneiden dick. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das zu Raucherzeiten war.
Gegen das Klischee ist der Kellner, ein distinguierter Herr, gar nicht grantig, als er meine Bestellung aufnimmt. Vielleicht ein Anflug von Arroganz. Bei schwarzem Verlängerten und Topfenstrudel lasse ich die Atmosphäre auf mich wirken. Es dauert nicht lang, dann platziert der Chef ein älteres französisches Paar an meinem Tisch, wobei er so unglücklich anrempelt, dass mein halb ausgetrunkener Kaffee in der Untertasse landet. Er bringt mir einen neuen.
La conversation entwickelt sich mühsam, nicht nur wegen des inferioren Lärmpegels. Man spricht nicht Deutsch und kaum englisch. Mein Schulfranzösisch ist rudimentär, mein Englisch eingerostet. Mit der Zeit kommen wir ganz gut zurecht. Man kommt aus einem Banlieu südöstlich von Paris, erstmals in Wien, zuvor schon einmal Innsbruck. Man will in die spanische Hofreitschule.
Ich radebreche von meinen „vacances en France“ anno 1992, wo wir per Interrail nach Paris, St. Malo und Nizza fuhren. Ich erkläre mit bescheidenem Wortschatz unter Zuhilfenahme sämtlicher Extremitäten, was ein Gulasch ist und dass die österreichische Variante des Baguette Semmel heißt. Die zum Gulasch servierte Semmel ist übrigens innen noch gefroren und es dauert eine Ewigkeit, bis man eine neue bringt. Der georderte Zweigelt wird dafür in einem Limonadenglas serviert, was für Erheiterung sorgt.
Dann bringt uns der Chef noch eine junge Inderin. Die Dame aus Mumbay spricht zwar nur englisch, bereichert aber unseren kosmopolitischen Tisch ungemein. Wir reden über Sehenswürdigkeiten und ich hole meine gefaltete Wienkarte, die ich an der Hotelrezeption ausgefaßt habe, aus der Innentasche. Sie bedeckt den ganzen Tisch. Die Inderin lacht, als ich erkläre, dass das mein Google maps ist.
Irgendwann endet auch der schönste Kaffeeklatsch und so verabschiede ich mich mit einem „bon voyage“ und ziehe von dannen, nicht ohne dem un-grantigen Kellner avec plaisir eine hübsches Trinkgeld zu hinterlassen.
© Klaus P. Achleitner 2022-10-17