Judith III

Leonie Rauth

von Leonie Rauth

Story

Aber die anderen sind glücklicherweise immer noch in ihre Gespräche vertieft und niemand scheint es zu stören, dass wir mal kurz (oder wenn es nach mir ginge gerne auch länger) von der Bildfläche verschwinden. Langsam beginne ich zu verstehen, warum Kathi das immer macht, es hat schon so seinen Reiz. Ich folge Rolfi nach ganz hinten in den Garten, wo der große Pool steht. Als Steuerberater scheint er wohl sehr gut zu verdienen, aber ich gönne es ihm natürlich. Mein Rolfi kommt mal ganz groß raus, da bin ich mir sicher! Er erzählt mir ein bisschen was über den Pool, wie viel Wasser da rein passt usw. usw., aber ich kann ihm nicht recht zuhören, denn mit meinen Gedanken bin ich in der Vergangenheit. Ach Rolfi, warum musste es nur so enden? Natürlich bin ich unendlich dankbar, den Tag heute an seiner Seite verbringen zu dürfen, aber was würde ich nur dafür tun, um an Verenas Stelle sein zu dürfen. Ich muss nun selbstbewusst handeln, um meinen Rolfi wieder für mich gewinnen zu können.

„…es ist natürlich auch schön für die Kinder, da lernt man früh schwimmen und… Sag mal Judith, hörst du mir überhaupt zu?“

„Was, ich? Ja, natürlich Rolfi. Es ist nur… ich muss immer wieder daran denken, wie dankbar ich dafür bin, dass du mir heute diese zweite Chance gibst…“, sage ich und mit diesen Worten bewege ich mich einen Schritt näher auf ihn zu und beuge mich zu ihm, um ihn zu küssen, aber dann…

„Judith!“, unterbricht Rolfi mich scharf und schiebt mich von sich. „Ich glaube, da hast du etwas gewaltig falsch verstanden! Ich habe dich heute eingeladen, weil ich den Jungen, den ich über zwei Jahre lang für meinen Sohn hielt, einmal wieder sehen wollte. Theo zuliebe habe ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht und sogar meine eigenen Kinder belogen, dass sie jetzt einen Bruder hätten. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen Streit ich mit Verena deswegen hatte. Aber ich weiß ja, wie sehr deine verrückte Familie austicken würde, wenn sie erfahren würde, dass Theos Vater in Wahrheit nicht ich bin, sondern…“

„Mensch, Rolfi. Nicht so laut, wenn das jemand hört!“, zische ich ängstlich.

„Es kann ruhig jeder hören. ICH BIN NICHT THEOS VATER. DER JÜNGSTE VOM HARTMANN, MIT DEM JUDITH MICH DAMALS BETROGEN HAT, IST ES!!!“, brüllt Rolfi daraufhin.

Dann geht alles ganz schnell. Rolfi läuft mit großen Schritten zum Teil des Gartens zurück, wo unsere Familie sitzt, die gerade mein größtes Geheimnis erfahren hat. Alle brüllen und schreien um sich. Mir wird es zu viel, also lasse ich mich einfach in den Pool fallen.

© Leonie Rauth 2023-07-29

Genres
Romane & Erzählungen