Juli

Luisa Lehr

von Luisa Lehr

Story

Eigentlich, eigentlich hatte ich schon am Geruch und an der Farbe des Himmels, als ich das Haus verlassen habe, erkannt, dass es bald anfangen würde zu regnen. Und trotzdem bin ich überrascht, als die ersten großen Tropfen auf meine Windschutzscheibe klatschen, während ich auf den Supermarkt-Parkplatz fahre. Ich bleibe noch einen Moment lang im Auto sitzen, nachdem ich geparkt habe. Nicht weil ich Angst habe, nass zu werden, sondern viel mehr, weil ich das Geräusch mag, das der Regen machte, wenn er auf das Autodach prasselt. Es war in den letzten Tagen so unerträglich heiß gewesen und ich hoffe, dass dieser Schutt vielleicht etwas Abhilfe schaffen kann. Und so schließe ich für einen Moment die Augen und fühle so etwas, wie Erleichterung. Ich atme noch einmal tief ein und aus, dann öffne ich die Autotür und trete auf den Parkplatz.

Im Vergleich zu der drückendheißen Luft im Auto, fühlen sich die Regentropfen richtig kalt auf meiner Haut an und ich ziehe reflexartig die Schultern hoch, sodass mein Blick ausschließlich auf den vor Nässe glänzenden Asphalt des Parkplatzes gerichtet ist, während ich laufe. Erst als ich kurz vor dem Eingang des Supermarktes stehe, sehe ich wieder auf und ich sehe ihn. Er steht unter dem Vordach am Ausgang und schaut auf sein Handy. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Bestimmt drei Monate nicht mehr. Und trotzdem hüpft mein Herz einmal schmerzvoll auf und ab, als er nun vor mir steht. Wir waren vor einiger Zeit mal miteinander ausgegangen. Eine ganze Weile sogar. Und ich war fürchterlich verliebt gewesen; jetzt wo ich ihn sehe, fürchte ich, dass ich es noch immer bin. Aber irgendwie hat es damals wohl nicht funktioniert mit uns. Obwohl ich mir so große Mühe gegeben habe. Und bis vor kurzem habe ich ihm immer mal wieder geschrieben, auch wenn nie eine Antwort zurück kam. Mittlerweile habe ich es aufgegeben, aber jetzt bietet sich mir die Chance, ihn direkt anzusprechen.

Und ich stelle mir vor, wie ich jetzt zu ihm unter das Vordach trete und seine Augen sich überrascht weiten, sobald er mich erkennt. Dann würden wir uns kurz unterhalten und er würde sich freuen mich zu sehen und spüren, dass er mich ebenso vermisst, wie ich ihn. Und weil es so stark regnet, würde ich ihn nach Hause fahren.

Und ich stelle mir vor, wie er auf meinem Beifahrersitz sitzt und die Scheiben wegen der feuchten, warmen Luft von innen beschlagen.

Ich atme in der Regenluft einmal tief ein und aus und finde tatsächlich den Mut, einen Schritt auf ihn zuzugehen, gerade als die hübsche junge Frau, die eben mit einer vollen Einkaufstasche aus dem Supermarkt gekommen war, ihm über den Arm streichelt und ihm einen Kuss gibt. Er steckt sein Handy in die Hose und nimmt ihr die Tasche ab, bevor sie zusammen zum Auto laufen. Im Gehen wandert sein Blick zu mir, wie ich da durchnässt auf dem Parkplatz stehe, aber seine Augen weiten sich nicht überrascht. Er sieht mich nur kurz an und sieht wieder fort.

Und ich, ich stehe dann einfach noch eine Weile im Juliregen.

© Luisa Lehr 2022-07-04

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