von Lucy Gebhardt
Meine Haare wehten leicht im Wind und ich konnte die Vögel leise von weiter weg zwitschern hören. Auf meinen Händen sammelte sich langsam das Wasser, welches von dem Baum über mir tropfte. Nebel machte sich in der Ferne breit und sog bedacht die Umgebung nach und nach in sich ein. Ich senkte meinen Blick langsam zu meiner zitternden Handfläche, in der ich die immer noch mit Blut beschmutzte Axt hielt. Das Blut an meiner Hand war bereits an wenigen Stellen getrocknet und gab ein komisches Gefühl auf meinem Körper ab. Es ließ mich irgendwie unwohl fühlen … so schmutzig und eklig. An der Axt lief das Blut noch ein bisschen herunter und tropfte ebenso auf den Boden. Direkt neben meinen Füßen machte sich somit langsam eine Blutlache bemerkbar. Meine Augen schweiften einmal über die Waldlichtung, auf der ich stand und sie lag. Ich fühlte mich plötzlich so leer. So unheimlich leer und nutzlos. Schließlich sah ich kurz zu ihr runter. Sie sah so friedlich aus. So blass und doch so verdammt friedlich.
Ein Piepen in meinem Ohr ließ mich langsam wieder in die Realität zurückkehren. Verwirrt über die Situation strich ich die Tränen weg, welche ohne Grund über meine Wangen liefen. Ich atmete mehrmals die frische Luft ein, die immer wieder meine Nase streifte. Die Stimmung war irgendwie bedrückt, alleine und vielleicht auch etwas unangenehm. Wer weiß. Meine Atmung war beschleunigt, mein Herz schlug schnell und dann fühlte ich mich auf einmal verrückt und doch so verstanden. Ich habe das Richtige getan, oder? Ich habe so gehandelt, wie jeder handeln würde, oder? Mein Seufzen ließ ein ungewisses Gefühl in mir zurück, bevor ich meine Hand mit der Axt hob. Erneut ließ ich mich auf die Knie sinken und erneut ließ ich sie in ihren Körper eindringen. Wieso fühlte es sich auf einmal so richtig an? Tat ich denn das Richtige?
Das Rauschen des Windes in den Bäumen zog kurz meine Aufmerksamkeit auf sich und doch blieben meine Gedanken weiterhin nur bei ihr, während ich mich wieder langsam aufrichtete. Ich habe es getan. Das war das Einzige, was ich nur noch wahrnehmen konnte. Es waren nur noch wir zwei. Yin und Yang. Himmel und Hölle. Wasser und Feuer. Leben und Tod.
Und dann schaute ich das letzte Mal auf ihren leblosen Körper, bevor sich der Knoten in meiner Brust löste und ich mich endlich frei fühlte. Frei vom Leben und frei von Entscheidungen. Ich musste nun auf niemanden mehr hören. Ich war jetzt alleine und hatte keine Person mehr, die mir sagte, was ich tun soll. Glücklich von dieser Erkenntnis ließ ich die Axt in das nasse Gras neben mir fallen, bevor ich auch mich fallen ließ. Ich ließ mich selbst in ein neues und friedliches Leben fallen.
© Lucy Gebhardt 2023-08-21