von pauley
Die tiefliegende Kapuze bedeckte meine Identität. Schleichend bahnte ich mir einen Weg durch die Dunkelheit, ich stieg hinab bis zu den untersten Kerkern des Schlosses. An den Wachen kroch ich vorbei, ohne dass sie mich bemerkten. Es war ein gefährlicher Pfad, ein jeder Schritt musste behutsam geplant werden. Nur so entwich ich allen Blicken der Bedrohung.
Als ich den Kerker betrat, begrüßte mich eine absolute Finsternis. Zerschmetternde Kälte drängte sich durch den Raum, sie fesselte meine Kehle mit ihren verdorbenen Fingern. Der Tod lag in der Luft, es machte mir das Atmen schwer. Mit geducktem Kopf schlich ich zur hintersten Zelle – wo Jack unwissentlich auf mich wartete.
»Tria, was machst du hier?«, flüsterte er schockiert, als er meine Silhouette erkannte. Besorgt näherte er sich den Gittern seiner Zelle und starrte in mein verhülltes Gesicht. »Du solltest nicht hier sein! Was, wenn dich jemand erwischt?«
»Der König kann mich nicht töten, Jack«, erinnerte ich ihn. »Das ist der Vorteil eines Diamanten wie mir.« Hastig kramte ich eine alte Landkarte aus meinem Mantel, wobei der wollige Stoff an meinen verwundeten Armen kratzte. Ich versuchte, den Schmerz so gut es ging zu ignorieren.
»Ich muss schnell reden, also hör gut zu«, riet ich Jack leise. »Ich habe einen Plan entwickelt, um dich hier lebend herauszuholen.« Bevor Jack mir dazwischenreden konnte, reichte ich ihm die Karte. »Jetzt, wo die Gewässer erloschen sind, kannst du problemlos die Grenze der Stadt überqueren. Ich habe mit meinem Vertrauten, Master Zachowin, gesprochen. Er wird die Wachen ablenken und dich morgen früh hier rausholen. Ihr beide werdet von hier verschwinden und nach Warrensbrün fliehen. Meine Brüder kennen Master Zachowin, mit seiner Begleitung werden sie dir das Exil gewähren. Ich habe bereits den Stallburschen bestochen, zwei Pferde werden für euch am Stadttor bereitstehen. Mit ihnen müsst ihr gen Norden reiten und vor Sonnenanbruch hinter Kailings Berg sein. Dann seid ihr im freien Territorium und König Helios kann euch nichts mehr tun. Euren Weg habe ich bereits auf der Karte markiert.«
Jack sah mich mit zusammengezogenen Brauen an. Er schien den Haken in meinem Vorhaben zu erkennen.
»Das klingt, als würdest du nicht in diesem Plan vorkommen«, stellte er ernst fest. »Du weißt, ich werde nicht ohne dich gehen.«
Ich lächelte sanft. »Keine Sorge, Jack«, besänftige ich ihn, »auch ich werde mit dir fliehen. Ich werde am Stadttor auf euch warten und die Pferde vorbereiten. Ich verspreche dir, du wirst nicht ohne mich davonreiten müssen. Ich schwöre es, beim Namen meiner Schwestern.« Mit einem schwachen Lächeln linderte ich seine Zweifel und seine Züge entspannten sich. Leicht zögerlich gab er mir ein Nicken der Zustimmung – unser Fluchtplan war zur Ausführung bereit.
Niemals würde ich zugeben, dass meine letzten Worte eine Lüge waren.
© pauley 2022-04-11