von Hanspeter Gsell
Nach anstrengenden Tätigkeiten in und um Kairo neigte sich ein anstrengender Tag dem Ende zu. Dachte Kaderli. Im Hotel jedoch wartete bereits die nächste Überraschung. Lisette-Dôle (12) hatte ihr Zimmer mit bunten Tüchern dekoriert, stand auf dem Bett und wackelte mit dem Hintern. Sissy (3) schrillte dazu wie eine Heulboje und versuchte, sich ihrer Verkleidung zu entledigen. Lisette-Dôle hatte mit ihr «Mumie» gespielt und zu diesem Zweck den ganzen Vorrat an Toilettenpapier abgespult.
«Ist sie nicht herzig, meine kleine Sissy-Mumie!», säuselte Lisette-Dôle und klimperte mit ihren hennaroten Wimpern.
Es stank wie in einem oberägyptischen Puff, Rauchschwaden hingen in der Luft. In der Ecke gurgelte eine Wasserpfeife, Kevin-Albert (12) hing kopfüber im Diwan und gurgelte ebenfalls. Ehefrau und Mutter Bambi lag dahingestreckt auf der Ottomane und wedelte nervös mit einem Fächer. Sie schien ihre Sprache verloren zu haben, was Kaderli indes nicht beunruhigte.
Am Sonntagmorgen stand, wie verabredet, Omar mit seiner Rostlaube vor dem Hotel und brachte sie zur Schweizer Botschaft. Der Konsularbeamte stempelte sich unfröhlich durch einen Stapel Papiere, kontrollierte mal hier und visierte mal dort. An der Wand hing ein Foto. Es zeigte den Stempler, zusammen mit dem Großwesir, vor einer Nachbildung des Matterhorns.
Zwei Wochen später. Bei der Ausreise am Flughafen wollte es der Zufall, dass der gleiche Beamte wie bei der Einreise Dienst hatte. Seine linke Hand war bereits leicht geöffnet.
Kaderli streckte ihm die fünf Pässe hin. Ungeachtet meiner Warnungen konnte er nicht auf sein vorlautes Maul hocken.
«Bartauszupfer! Dattelzwicker! Mohrenkopf!»
«Mein lieber Herr Kaderli», entgegnet ihm der Beamte. «Ich habe in Berlin Germanistik studiert und kann ihnen verbindlich sagen, dass Bartauszupfer aus Syrien stammen, Dattelzwicker in Marokko leben und Mohrenköpfe politisch nicht korrekt sind!»
Bevor er fortfuhr, strich er mit Zeigefinger und Daumen über seine beschnauzte Oberlippe.
«Übrigens: Beamtenbeleidigung wird in Ägypten mit einhundert Peitschenhieben und zehn Jahren Zwangsarbeit bestraft.»
Während seines Vortrages hatte sich seine linke Hand weiter geöffnet.
(Foto: Jeremy Zero, unsplash)
© Hanspeter Gsell 2021-03-13