von Petra Dinhof
Ich liebe mein Kind. Vom ersten Tag an war die Zeit mit ihm besonders schön: kuscheln, ihm die Welt zeigen, mit ihm spielen, lesen, gemeinsam in der Natur sein. Es war immer etwas ganz Besonderes, mit ihm zu sprechen, schon als er ganz klein war. Alles war wunderbar und ist es noch, nur ganz anders.
Jetzt ist er erwachsen. Wir krachen manchmal ziemlich aneinander, besonders natürlich da, wo wir einander ähnlich sind: wir reden beide gerne und viel, können schwer aufhören, obwohl es schon reichen würde, keiner gibt in der Diskussion gerne nach, aber wir können uns gut entschuldigen, wenn wir unsere Fehler einsehen. Und keiner ist nachtragend. Schon 5 Minuten nach einem lauten Streit finden wir gute Lösungen oder haben beide vergessen, dass wir doch eigentlich böse aufeinander sind. Das liebe ich sehr an uns. Mein Sohn ist klug und sehr lustig, hat manchmal einen schrägen Humor, ich amüsiere mich königlich. Er ist sprachlich wirklich raffiniert. Und er bringt unglaublich viele Ideen und Gedanken in jedes Gespräch ein, auch viel Wissen aus verschiedensten Bereichen. Auch heute ist alles was wir miteinander erleben interessant und spannend für mich. Nun ist er aber, wie gesagt, erwachsen. Will und muss natürlich seinen eigenen Weg gehen. So nahe wir uns sind, sein Weg ist nicht meiner und das ist nur gut so! Der Alltag ist jedoch manchmal sehr anstrengend.
Seine Vorstellung darüber, wohin schmutzige Socken gehören, weicht erheblich von meiner ab.
Er findet sogar einen Weg durch das Chaos von seiner Zimmertür zu seinem Bett oder seinem Schreibtisch. Ich nicht! Ich finde, er sollte jetzt, im Maturajahr wirklich viel lernen, er meint, das passt schon alles so – und „passt so“ bedeutet, kaum etwas zu tun, schon gar nicht lernen. Er findet, dass gegrillte Käsekrainer um 2 Uhr früh super sind, ich finde, sie stinken sehr, vor allem, wenn der Geruch in mein Schlafzimmer dringt. Ich finde mein Gemüsecurry ganz toll, er meint: „Gibt´s nichts G´scheites? Mit viel Fleisch?!“ Er findet elektronische, hämmernde Musik muss laut gehört werden, mir fällt das Ohr ab! Ich finde, er sollte mehr Sinnvolles tun, er findet, ich sollte mehr chillen. Er findet, dass „Fortgehen“ bedeutet, dass man frühestens um 6 Uhr morgens nach Hause kommt, ich finde, dass man um 1 Uhr schon im Bett sein kann – zum Schlafen. Ich finde, dass „Axe“-Deos grauenvoll stinken und dass er doch das gute und teure Bio-Deo verwenden soll, das ich ihm gekauft habe, er findet „Axe“ gut. Er findet, Chips im Bett zu essen ist super, ich finde das gar nicht.
Oh, wie gut ich das kenne, nur von der anderen Position aus! Wie sehr erinnern mich meine Worte an die meiner Eltern! Auf einmal habe ich viel Verständnis für meine besonders ordentliche Mutter, die sicher vor 40 Jahren arg unter meinem Chaos gelitten hat.
Im Grunde also alles ganz normal, ein bisschen Generationenkonflikt eben, nur: Jetzt bin ich die „Alte“.
© Petra Dinhof 2019-12-29