Kaffeeflecken

Katarina Klein

von Katarina Klein

Story

Wenn ich dich beschreiben müsste, würde ich irgendein Wort zwischen Paillettenregen und Champagnerküssen wählen.

Besonders jetzt, wo du vor mir sitzt, deinen roten Dior Lippenstift -Nummer 683- nachziehst und mir bereits seit 15 Minuten versuchst zu schildern, dass deine letzte Woche unglaublich stressig war, du das aber aus einer paradoxen Liebe zu deinem Beruf heraus ok findest. Du lächelst und mir geht das Herz auf. In diesen Momenten weiß ich wieder, warum du meine beste Freundin bist. Ich stelle mir vor, wie du mit Glitzerstaub in den Taschen deines schwarzen Mantels durch Berlin Mitte läufst und diesen auf die mürrischen Köpfe alter Ur-Berliner verteilst und sie damit umgehend zum Lächeln zwingst.

Ich dagegen… naja, ich pendele irgendwo zwischen Zwangsneurosen und Kaffeeflecken und höre in meiner Freizeit traurige Lieder über gescheiterte Beziehungen nur damit es mir besser geht.

Und jetzt sitze ich hier mit dir in diesem Hipster Café in Kreuzberg und nippe bereits an meinem zweiten Filterkaffee. Sehr zum Verdruss der überfreundlichen Bedienung, die mir eigentlich einen Iced Brewed Matcha Chai Latte andrehen wollte. Darüber möchte ich den Kopf schütteln. Ich bestell doch nichts, was ich nicht einmal aussprechen kann. Aber dir scheint er ja zu schmecken.

Manchmal frage ich mich, ob ich nicht einfach mal was Neues ausprobieren soll. Wie die ganzen Partys, zu denen du mich immer mitschleppen willst, ich aber nie mitkomme und stattdessen zu Hause bleibe und mich schuldig fühle, weil ich doch irgendwie einsam bin.

Und weil ich mir manchmal vorstelle, wie ich 80 bin und immer noch dieselben zerlatschten Chucks trage und Sachen wie „Früher war alles besser“ sage, habe ich heute einen kleinen Babyschritt gemacht.

Ich habe mir auf deinen Rat hin neue Sneaker gekauft, von denen du meintest, die seien voll modisch und würden ja exorbitant gut zu mir passen.

„Weiße Reeboks? Ich weiß nicht“, habe ich gemurmelt und darüber nachgedacht, dass ich weder schon einmal weiße Schuhe besessen habe, noch jemanden kenne, der das Wort “exorbitant” benutzt.

Du hattest mich aus deinen großen, blauen, kugeligen Augen angesehen und schon wieder eingelullt. Mit deinem Glitzer-Paillettenregen für den ich immer noch verzweifelt im Duden nach einer Bezeichnung suche. Aber gut. Ich verlasse meine Comfort Zone ja sonst nie.

„Und Natalie?“, fragst du dann auf einmal und reißt mich aus meiner Gedankenwelt.

„Hm?“

„Genug von mir, wie geht es dir? Wie war deine Woche?“

Ich greife erneut nach meiner Kaffeetasse und verschütte den ersehnten letzten Schluck meines schwarzen Kaffees. Er landet direkt auf meinen neuen weißen Reeboks und hinterlässt einen hässlichen braunen Fleck.

„Wie immer, schätze ich.“

© Katarina Klein 2022-03-20

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