Kaffeeflecken auf der weißen Wand

neutraltinte

von neutraltinte

Story

„Für uns ist es wichtig, dass qualitativ hochwertig (Leerstelle) zu viele Fehler im Text (Leerstelle) deswegen können wir Ihnen kein Angebot machen.“

Ich hatte mit einer Zusage gerechnet, jeder hatte an mich geglaubt, Absage war für keine von uns eine Option und doch kam sie. Obwohl ich in mühsamer Vorbereitung so lange schwarz gemalt habe…anscheinend haben sich trotzdem Farben der Hoffnung in das Gemälde eingeschlichen, das ich mein Leben nannte.

Meine Vergangenheit klopfte wieder an meiner Tür, sie ist mir doch näher als geglaubt. Ich ignoriere das Klopfen, das Klopfen wird zu einem Glockenschlag und der Glockenschlag wird zu flüssigem Blei, der meine Lungen füllt.

Ich erinnere mich an diesen Text aus dem Unterricht. Von Horst Nickel, es geht über die Sprachdefizite von Migrantenkindern. Es geht darum, dass die sprachlichen Rückstande sich zwar minimieren, aber nie beheben lassen. Dass die Schere sich sogar erweitern kann, wenn man nicht keine vorschulische Förderung erfährt. Defizit, ein schönes Wort für ein Kind, das von den Eltern mit Kritik statt Lob gefüttert wurde.

Als ich damals diesen Text gelesen hatte, fühlte ich mich meiner Hoffnung beraubt und wie ein Hamster im Rad. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich nicht aus dem Rad austreten konnte.

Im Studium wurde ich plötzlich für dieselbe Sprache gelobt, die mich schon immer bloßgestellt hatte. Sprechen konnte ich erst mit fünf Jahren. Ich hätte nicht glauben sollen, dass sich die Lücken geschlossen haben.

Um meine Gedanken abzuwürgen, griff ich nach der Pinsel. Manchmal fragte ich mich, ob ich nur deswegen gerne malte, weil für einen kurzen Moment meine Gedanken in Abwesenheit gerieten.

Ich beruhigte mich, vergaß sogar die Kaffeeflecken an der Wand und trotzdem wurde ich eine Frage nicht los:

Greife ich trotzdem zu diesem Schwert, dessen Spitze mich jedes Mal härter trifft?

© neutraltinte 2022-05-30

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