von Hannes Zeisler
Da an der privaten Neulandschule in Wien für alle Klassen zu wenig Platz war, musste zweimal im Jahr jeweils eine Volksschul- und Hauptschulklasse für sechs (!) Wochen nach Bad Ischl ausweichen. Und zwar in das ehemalige Hotel Bauer (inzwischen geschleift!), das offensichtlich von der Neulandbewegung angemietet war. Die Angelegenheit war für uns Lehrer ziemlich anstrengend, da für diese Zeit vom Bettzeug an alles mitgenommen werden musste, was die Schüler brauchten.
Es war Fasching und da gab es jeden Samstag im bekannten Ramsauer eine Tanzerei. Oft spielte der „singende Seewirt“ mit seinem Akkordeon und wir „Neuländer“ Lehrer waren auch bald bekannt und als „Bauerbande“ betitelt. Vielleicht waren wir wegen unserer Eroberungszüge bei den einheimischen Burschen unangenehm aufgefallen! Jedenfalls waren wir damals Zwanzigjährigen schon daran interessiert, mit der Bad Ischler Weiblichkeit Kontakte zu knüpfen. Um mit dem nötigen Odeur eventuell Eindruck schinden zu können, sah unsere abendliche Toilette dann folgendermaßen aus:
Kalodont: Normale Zahnpasta
Lacalut: Zur Festigung des Zahnfleisches
Odol: Mundspülung und 4711 zur Verbesserung des Atems. Man konnte ja nie wissen, ob sich nicht engere Kontakte bei unseren Eroberungen ergaben! Wir wollte uns auch nicht nur auf unsere verbalen Fähigkeiten verlassen! So vorbereitet, absolvierten wir unseren Auftritt beim Ramsauer.
Da saß sie nun, Susi G. aus Bad Ischl, am langen Tisch mir gegenüber. Hübsch und ziemlich sexy! Wir waren allein, da sie allen Kollegen einen Korb gegeben hatte, die sie zum Tanzen aufgefordert hatten! Mich erinnerte die Situation an alte Adelige, die auch am langen Tisch einander gegenüber saßen und kaum miteinander sprachen. Ihre Ablehnung war mir zunächst nicht klar, sodass ich einen Versuch startete und fragte: „Wollen Sie nicht oder können Sie nicht?“
Sie meinte, ziemlich abweisend: „Ich habe keine Lust!“
Darauf ich: „Warum sind Sie dann überhaupt hier? Ist die Göttliche vielleicht geneigt, mit einem gewöhnlich Sterblichen zu tanzen?“ Sie lächelte etwas versöhnlicher und sagte: „Ich bin heute nicht besonders gut drauf.“ Ich spürte, dass meine Chancen stiegen, und erklärte ihr: „Wenn Sie mit mir tanzen, kann ich Ihnen die schlechte Laune vertreiben, denn ich bin so etwas wie ein Seelenheiler.“
Sie erhob sich wirklich von ihrem Sitz und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch während des Tanzes. Die Bekanntschaft war allerdings nur von sehr kurzer Dauer, denn als ich Bad Ischl wieder verlassen musste, habe ich sie nie wieder gesehen oder etwas von ihr gehört.
© Hannes Zeisler 2019-12-08