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Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Haarsträubend sind sie mitunter, die Namen, die sich die Figaros für ihre Wirkstätten zulegen. Keine Berufsgruppe ist so sprachkreativ wie die Zunft der Friseure. Sie lieben Wortspielereien. Da haben sie mit mir was gemeinsam, obwohl …

Um den Salon „Haarley Davidson“ würde ich persönlich einen Bogen machen, weil ich mich nicht zum Kundenstamm zähle, auf den der Name abzielt. Ich bin weder Rockerbraut in Lederkluft, noch umweht mich Easy-Rider-Flair. Auch glaube ich, dass „Born To Be Wild“ nicht mein erklärtes Lebensmotto ist. Eher „Haarmonie“ oder, falls mir der Sinn nach Klassik stünde, „Vielhaarmonie“. Auch „Hairberge“ spräche mich an.

Wenn ich zum Friseur gehe, hinterlasse ich alle drei Monate Berge von Haaren, von Geld ganz zu schweigen, und ziehe leichten Hauptes von dannen. Das meine ich wörtlich. Haare lassen bedeutet gewissermaßen Gewichtsreduktion. Ich habe dichte Haare. Sie sind glatt und schwer. Im Sommer kommt es zu einem Hitzestau in meinem Pelz. Da leidet die Kopfhaut. Daher schlägt mein Herz für die kühlere Jahreszeit.

Gestern hatte ich einen Haarschneide-Termin beim „Abschnitt“. Meine Frizzeurin (she’s got frizzy hair), die ich um ihren Lockenkopf beneide, ist eine Curly Sue wie aus dem Bilderbuch. Nein, wie im Film. Gott sei Dank sorgte der Lockenkopf bei mir für keinen Wirbel. Auch der gestrige Besuch war unaufregend, eher anregend. Als ich eintrat, hörte ich „This is no ordinary love“, Sade in Dauerschleife.

Was ich an Curly Sue schätze, sind die Gespräche und das Schweigen. Nicht zu vergessen, den gekonnten Einsatz der Effilierschere, die meine Haare ausdünnt und sie an der Entwicklung von zu viel Eigenleben hindert. Curly Sue genießt mein volles Vertrauen, weil sie mich zu nichts überredet. Ich färbe nicht. Ich habe vor, in Würde zu ergrauen.

Früher, als die „Schnitt-Stelle“ noch schlicht Salon Helga hieß und alte Damen auf die Dauerwelle schworen, da gab es einiges, das mich empfindlich störte, z. B. die erzwungen wirkende Gesprächseröffnung bei jedem Friseurbesuch: Wissen Sie schon, wohin es gehen wird im Urlaub? – Haben Sie schon Pläne für den Sommer? Unverfängliches Thema, gut gemeint, aber haarscharf daneben. Das Ziel sollte doch mein Wohlbefinden sein, oder nicht? Wie oft drückte man mir die Neue Post in die Hand (schau ich so aus, als würde ich mich an den Liebesgeschichten von Promis ergötzen) oder Frauenmagazine, die meine Wissenslücken, was die Heiratspolitik europäischer Adelshäuser anlangt, schließen sollten.

Einmal war ich in Linz beim Friseur. Meine Mutter hatte mir den Salon Hedi in Ebelsberg empfohlen. Die Arme mühte sich ab mit der Dichte meiner Haare, sah ständig auf die Uhr und sagte dann, es gebe nur eine Kundin, die solche Haare hat wie ich. Neugierig geworden, bat ich sie um den Namen derselben. Zögerlich nannte sie ihn mir: den Namen meiner Mutter. Ich hatte es geahnt. Es ist ein dominantes Erbmerkmal. Schau Hair! Meinen Sohn hat’s auch erwischt.

© Sonja M. Winkler 2020-09-30

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