Kämpferblut und Drachen

Ich gehe leise ins Zimmer und setze mich aufs Bett meiner Tochter. Sie hat den Rücken zu mir gedreht und weint in ihr Kissen. Obwohl, weinen ist untertrieben. Ich lege ihr sanft meine Hand auf den Rücken. Sie zuckt zusammen, dreht sich um und faucht mich an. «Was machst du in meinem Zimmer?» Ich schaue sie an und bin zuerst ganz ruhig, doch dann gebe ich ihr doch eine Antwort. «Du bist nicht wirklich leise, Mäuschen.» Sie dreht sich wieder von mir weg und murmelt in ihr Kissen. «Wärst du auch nicht.» Sie tut mir leid. Ich habe zwar keine Ahnung in was für einer Krise sie sich gerade befindet, aber einfach ist es sicher nicht. «Was ist denn los?» Sie murmelt wieder etwas, dass nur schwer zu identifizieren ist und sich anhört wie «Ich will nicht darüber sprechen.» Ich seufze. Sie macht es mir nicht gerade einfach, ihr zu helfen. Aber andererseits, wann ist je etwas einfach im Leben. Ich nehme die Hand von ihrem Rücken und setze mich gerade hin. «Ich würde dir gerne etwas erzählen.», sage ich. Sie gibt ein Geräusch von sich, dass Ähnlichkeiten mit einem abschätzigen Lachen hat, aber ich lasse mich nicht aus dem Konzept bringen. Sie hat mich nicht hinausgeworfen. Das ist schon einmal ein Anfang. «Also», sage ich, «ich weiß zwar nicht was los ist, aber du kannst mir glauben, dass ich auch schon sehr oft in meinem Leben am Boden zerstört war. Manchmal wegen schlimmeren und manchmal wegen weniger schlimmen Dingen. Das ist normal. Du musst dir einfach etwas merken: Stehe wieder auf. Das Leben wird dich noch hundertmal auf den Boden werfen. Das ist schlimm aber nicht das wichtige. Das wichtige ist, dass du so lange auf dem Boden bleibst wie du es brauchst. Du kannst weinen so viel du willst und dich auf dem Boden wälzen. Aber irgendwann hast du dich ausgeweint und dann hörst du auf. Dann beruhigst du dich und gehst in dich hinein. Du sammelst deine ganze Kraft und vereinst sie in dir. Und wenn du wieder kannst, stehst du auf. Stärker als zu vor. Denn egal wie oft du fällst, du musst einfach immer einmal mehr aufstehen.» Sie schnäuzt sich in ihr Kissen. «Schatz, du bist eine Kämpferin. Ich weiß das. Du hast es im Blut. Ich war auch immer eine und bin es auch heute noch. Kämpferinnen geben nicht auf. Sie lassen sich verletzen, lassen sich niederschmettern, das kann schon sein. Das passiert eben jedem mal. Aber das Essenzielle dabei ist, dass sie wieder aufstehen und weiterkämpfen. Immer wieder und wieder. Das ist wichtig. Höre niemals auf zu Kämpfen. Stehe immer einmal mehr auf, als dass du am Boden liegst. Zeige allen wer du bist und was du kannst. Lass dich niemals unterkriegen. Man darf kaputt sein, man darf sich eine Verschnaufpause gönnen, aber danach muss man sich den Staub von der Rüstung klopfen und weitermachen, denn schlussendlich besiegt man einen Drachen nicht, indem man auf dem Bett liegt und weint. Man besiegt ihn, indem man kämpft und gewinnt.»