kann eine*r meine Spülmaschine…?

Alexandra Vogel

von Alexandra Vogel

Story
Stuttgart 2023

Drei Tage später steht Fatu mal wieder in der Küche und macht den Abwasch. Seit fünf Monaten ist ihre Spülmaschine kaputt, aber sie findet einfach keine Motivation, sich darum zu kümmern. Anfangs empfand sie das Spülen noch als sehr meditativ, aber mittlerweile können selbst die Frauen aus ihrem Lieblingspodcast die Sache nicht mehr schönreden. Und sie reden viel. Viel Gutes, Stärkendes, zum Nachdenken. Sich um die Spülmaschine zu kümmern bedeutet Entscheidungen zu treffen und das fällt ihr bei manchen Themen viel schwerer als bei anderen. Kauft sie sich eine neue? Welches Modell? Preisspanne? Oder eine gebrauchte? Wie kommt die Spülmaschine hier her? Wer baut sie ein und wer entsorgt…. Wow. Stopp. ‚Nicht heute, Leute, nicht heute‘, beruhigt sie die überschlagenden Gedanken. Kann sich nicht jemand anderes um die Spülmaschine kümmern? Nachdenklich kaut sie innen auf ihrer Unterlippe.

Der Nachbar… Der Nachbar!

Mit einem Zettel in der Hand steht sie kurz darauf vor der WG-Tür. Das 80er Jahre Treppenhaus mit Omas Tapete und Opas Holztreppen ist von der Sonne in ein warmes Glitzern getaucht. Sie klingelt, aber niemand macht auf, also klebt sie den Zettel an die Türe, und hüpft etwas aufgekratzt die Treppen wieder runter. Fremden Menschen gegenüber ist sie sehr lange unsicher, ihre selbstbewussten Teile vergraben sich immer aus unerfindlichen Gründen. Den Zettel an die Türe zu kleben bedeutet für sie, ihre Komfortzone zu dehnen. Langsam, in ihrem Tempo.

Als sie sich später am Abend etwas auf ihrer Matte dehnt und lästige Stärkungsübungen für ihr Knie macht, blitzt eine Nachricht von einer unbekannten Nummer auf. Ihr Herz bleibt kurz stehen, der Chor in ihren Gedanken jubiliert, als hätte er einen Preis gewonnen. Ein kurzes, aufgeregtes Schütteln durchfährt ihren Körper. Sie legt sich auf den Bauch, stützt sich auf ihren Ellbogen ab und entsperrt ihr Handy.
„Hey :) Ich hab deinen Zettel gesehen. Ja klar kann ich mir die Spülmaschine mal anschauen. Aber ich hab echt keinen Plan davon.“
„Das wäre cool“, tippt sie gleich zurück. „Selbst wenn du nicht weißt, was kaputt ist, vielleicht hast du Lust mich zu beraten, was für eine ich mir dann holen soll. Ich hasse es, mich zwischen 4.000 Möglichkeiten für eine entscheiden zu müssen“. Sie setzt den Emoji, der zwischen seinen Fingern durchlugt und einen herzhaft lachenden Emoji hinter ihre Nachricht und drückt auf senden. Neugierig beobachtet sie das ‚…schreibt‘ unter der Nummer, das kurz verschwindet, dann wieder auftaucht.
„Kenn ich! :) Wenn es dir passt, kann ich morgen mal vorbeischauen?“
Fatu ist erleichtert. Neue Menschen kennenlernen kann auch einfach sein. In ihrem Kopf baut sie sich aber jedes Mal einen scheinbar nicht auflösbaren Berg aus Ängsten, Unsicherheiten und Ablehnung. „Ja! Das passt gut. 18 Uhr?“ Unter ihrer Nachricht erscheint ein Daumen hoch und ein „bis morgen dann“. Fatu entfährt ein erleichterter, freudiger Seufzer.

© Alexandra Vogel 2023-08-27

Genres
Romane & Erzählungen, Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Informativ, Inspirierend
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