von Penelope Wiegleb
Die Arme zuseiten des Kopfs gestreckt, tauchte ich ein und war umgeben von der dunklen Masse. Ich hörte ihn in der Nähe ins Wasser krachen und sah eine Wand weißer Blasen, hinter denen er schweben musste. Unter Wasser war es Nacht. Wie schön, im Sternenhimmel zu schwimmen und gar nichts mehr zu denken. Das war ohnehin immer das beste Gefühl gewesen: wie das Wasser die Last des eigenen Gewichts aufhob und die Kühle ermöglichte, mein Herz einmal nicht pulsieren zu hören.
Ich schlug den Kopf durch die Wasseroberfläche und die klare Luft füllte meinen Brustkorb. Er sah mich an, angestrengt mit den Beinen schlagend und zappelnd. Nichts sagend, nur ächzend. Ich tauchte wieder ab, schwamm wie ein Delfin in einer schnellen wellenförmigen Bewegung meiner Hüfte und meiner Arme. Er blieb an derselben Stelle, wartete und wurde bald blau. Als wir aus dem Wasser gingen, nahm er meine Hand und umarmte mich wieder, um sich an mir zu wärmen. Er zitterte.
Die Nacht brach herein und ließ die Welt schwarz mit orangen Flecken der knisternden Kegel alter Lampen zurück. Wir liefen barfüßig auf der Straße zurück zum Haus. Er konnte die Hände nicht von mir lassen. Neben mir im Bett liegend berührte er mich ununterbrochen. Er berührte meine Brustwarzen, dass ich die zwischen uns heiß gewordene Luft in kürzeren Abständen aus dem Munde stieß und er meine Stimme hörte. Er drückte seinen Körper an meinen und glitt mit der Hand meinen Bauch entlang hinunter zwischen die weiche Haut der Oberschenkel. Er wollte immer mehr von mir haben und das berührte er mit der Zunge. Er leckte sich die Finger. Er küsste meine Zehen. Er schlief ein, die Hand in meinen Haaren.
Außer seiner Liebe hatte er keine einzige Charaktereigenschaft. Sie war so leicht zu erbitten. Verliebt war er manchmal glücklich und manchmal traurig. Er war verzeihend und nie böse. Hatte ich ihm etwas Falsches angetan, hat er nie versucht, es gegen mich zu verwenden. Nicht einmal zugegeben hätte er es. Er hatte nie die Absicht, meine Fehler und meine so ganz fehlerhafte Art zu verwenden, selbst besser zu sein. So uneigennützig. Immer war er gewillt, mich wohlwollend zu behandeln. Selbst wenn dies andersherum nicht der Fall war.
Wenn ich morgens aufwachte und er friedlich wie ein Kind schlief, machte mich das jedoch wütend. Gelegentlich war mein Neid darüber erdrückend, wie sorglos er immer gewesen war. Im Schlaf schwitzte, stank und zeterte ich. Wütende Tritte und Schläge meines Unterbewusstseins weckten mich mitten in der Nacht. Ich war eine unruhige Schlafwandlerin. Ein Fluchttier, das leicht wach wurde und hochschreckte. Die ganze Masse seines schweren Körpers, der, von Zufriedenheit so ruhig, viel zu viel Platz einnahm, überwältigte mich. Er störte mich in meiner eigenen Entfaltung, wie ich fand. Er war einfach zu schwer. Manchmal verspürte ich eine Aggression gegen diesen Jungen, der nur Liebe verströmte.
© Penelope Wiegleb 2024-08-31