Kapitel 1

Laura A

von Laura A

Story

Regen prasselt auf das alte, morsche Dach und der Wind zieht eisig durch jede noch so kleine, undichte Stelle im Holz. Egal, was ich auch tue, mir wird einfach nicht wärmer. Ich schlinge die graue Wolldecke enger um mich, aber die Kälte scheint förmlich in mich hineinzukriechen. Umschließt mich und hinterlässt Gänsehaut auf meinem gesamten Körper, obwohl das Feuer im Kamin fleißig vor sich hin prasselt. Vielleicht ist es auch gar nicht das Wetter, weswegen ich so friere. Das sich so unendlich kalt anfühlt, sondern es ist die Einsamkeit, die sich über die Jahre hinweg in mein Herz geschlichen und sich dort eingenistet hat. Ich fühle so viel und doch wieder nichts. Da ist Trauer, Angst und Sorge, aber auch eine riesige Leere, so als würde in mir nur Dunkelheit herrschen. Ich habe vergessen, wie man hofft, und mein Lächeln starb an dem Tag, an dem ich alleine zurückblieb. Als ich nichts und niemanden mehr hatte und ein Teil von mir einfach verschwand.

Auch jetzt noch bin ich alleine. Wohne am Rand des Dorfes und bekomme kaum noch Menschen zu Gesicht. Sie meiden mich, wie sie es ein Leben lang schon tun. Suchen mich nur auf, wenn es gar nicht anders geht und verlangen von mir, dass ich sie heile. Sie denken, ich sei gefährlich. Bezeichnen mich hinter vorgehaltener Hand als Hexe, da ich Ahnung von Kräutern, Salben und Tinkturen habe, dabei kenne ich mich bloß mit Pflanzen aus. Habe gelernt sie zu nutzen, um anderen Menschen zu helfen, aber sie fürchten alles, was sie nicht verstehen.

Ich könnte damit aufhören. Wahrscheinlich wäre es sogar sicherer, denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich den Zorn von jemanden auf mich ziehe und die Hexenjäger mich holen, doch es ist das Einzige, das mir geblieben ist. Was meinem Leben einen Sinn gibt und mich weiter machen lässt. Mag sein, dass die Dorfbewohner Angst vor mir haben und mich nicht in ihrer Nähe haben wollen. Wenn ich jedoch ihre Hilfe suchenden und verzweifelten Blicke sehe, während sie an meine Tür klopfen und um das Leben eines geliebten Menschen bangen, bringe ich es nicht übers Herz sie einfach wieder wegzuschicken. Es wäre grausam. Ich weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren, den man liebt. Es zerbricht einen.

Ewigkeiten, starre ich in das Feuer. Beobachte, wie die Funken fliegen und sich die Flammen beinahe, wie im Tanze bewegen und erinnere mich daran, dass es nicht immer so war. Dass es eine Zeit gab, in der ich glücklich war und mich jemand geliebt hat. Ihre Haare waren leuchtend rot, wie das Feuer vor mir. Ihr Lachen, das schönste, das ich je gesehen habe und nahezu habe ich das Gefühl ihre Anwesenheit zu spüren. Wie sie neben mir sitzt und ihren Kopf an meine Schulter lehnt, um mit mir in die Flammen zu sehen. Ich gebe mich dieser Vorstellung hin. Lasse es zu, dass die Realität für einen Moment verschwindet und ich die Kälte verdränge.

© Laura A 2023-09-12

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Dark, Emotional, Sad