von Julia Laubstein
Feucht und Nass. Tropfen, PfĂŒtze, Teich, Bach, See, Meer, Ozean. Wasser.
Es fĂ€ngt an zu kribbeln. Lila ist aufgeregt. Ein Blitz durchdringt ihre Hand. Das Kribbeln wird intensiver. Gleich ist es so weit. Sie weiĂ, was jetzt passiert. Körper geht auf Alarmstufe dunkelrot. Schnell verstecken, ein Tuch aus der Tasche holen und HĂ€nde auf das schwarze Shirt.
Hyperhidrosis palmaris. Das krankhafte Schwitzen begleitet Lila schon ihr Leben lang. Sie betrifft es an den FĂŒĂen, Achseln und HĂ€nden. Nichts hilft. Deo, Cremes, Stromtherapie, alles hat sie ausprobiert. Botox? Nie im Leben. Eine Operation könnte ihr helfen. Diese hat jedoch viele Nebenwirkungen. Lila könnte nicht mehr richtig fĂŒhlen, schmecken oder riechen. Sie könnte auch einnĂ€ssen oder gelĂ€hmt sein. Das Schwitzen an den HĂ€nden und FĂŒĂen klingt eklig. FĂŒr Lila gehört, es wie jeder Finger, zu ihrem Körper.
Lila schĂ€mt sich und will, dass es niemand weiĂ. Es soll ein Geheimnis sein, denn sonst könnten sie alle eklig finden oder sie mobben. Sie legt ihre HĂ€nde auf das T-Shirt. Es saugt den SchweiĂ auf. Lila versucht sich zu beruhigen. Wenn sie daran denkt, dann wird es immer stĂ€rker. Jetzt zu schreiben, wĂ€re unmöglich. Das Blatt ist dann, innerhalb von Sekunden, durchweicht. Es klingelt zur Pause. Wenn Lila jetzt aufsteht, sieht man ihre nassen Flecken auf dem Shirt. Also bleibt sie noch sitzen und wartet.
In der Pause sind alle am Handy. Eine Nachricht zu schreiben- mit Lilas HĂ€nden ist gerade nicht machbar. Das Wasser flieĂt ĂŒber ihre Schutzfolie. Es werden stĂ€ndig die falschen Buchstaben erkannt. Sie ist genervt.
Da kommt ein Lehrer und will sie begrĂŒĂen. NatĂŒrlich höflich mit Hand geben. In Lila steigt der Puls. Die HĂ€nde fangen extrem an zu schwitzen. Wenn sie jetzt aber nicht die Hand gibt, ist es unhöflich. Wenn sie die Hand gibt, wird sie gefragt, warum ihre HĂ€nde so nass sind. Schnell der Trick mit dem Nasenschnauben. Nein, lieber der mit dem Telefonieren und gleichzeitig in der Tasche kramen. Hauptsache keine Hand frei.
Nach der Schule fĂ€hrt Lila mit der Bahn nach Hause. Es ist alles voll. Das heiĂt stehen. Stehen ohne umfallen bedeutet festhalten. Es ist warm und stickig. Die Angst vor dem Schwitzen ist da. Hoffentlich sieht es keiner. Die NervositĂ€t steigt. Zum GlĂŒck nur noch zwei Stationen. Es tropft bereits. LĂ€nger hĂ€tte sie es auch nicht mehr ausgehalten.
Lila steigt aus der Bahn aus. Ein Wechsel der Situation und schon sind die HĂ€nde trocken. Wie durch ein Wunder. Sie lĂ€uft schnell den Weg entlang nach Hause. Ein PĂ€rchen lĂ€uft vor ihr, Hand in Hand. Lila lĂ€chelt und wĂŒnschte sich so sehr, dass sie jemand mögen wĂŒrde. Anfassen, berĂŒhren und HĂ€ndchen halten. All das kann sie sich nicht vorstellen. Will sie ĂŒberhaupt jemand?
© Julia Laubstein 2023-08-23