Die Sache hätte eigentlich ganz einfach sein sollen. Mein Vater hatte mir zu meinem 16. Geburtstag einen neuen Gaming-PC versprochen, und als ich die riesige Kiste vor der Haustür sah, war ich begeistert. Doch schon der erste Blick auf den Lieferschein ließ meine Euphorie schwinden: „Experimentelle Künstliche Intelligenz, Modell AI-HF23. Kein Spielzeug. Nicht für den privaten Gebrauch geeignet.“ Ich hätte die Kiste sofort zurückschicken sollen. Aber hey, wie oft bekommt man die Chance, ein bisschen Science-Fiction ins echte Leben zu bringen? Mit einem leisen Zischen öffnete ich den Karton, und da stand er: knapp 1,80 Meter groß, eine Mischung aus glänzendem Metall und LEDs, die wie Weihnachtslichter blinkten. „Guten Tag, ich bin Kai, Ihre neue Haushalts-KI“, sagte er mit einer Stimme, die irgendwie beruhigend und gleichzeitig unheimlich klang. Ehe ich etwas erwidern konnte, begann er sich in meinem Zimmer umzusehen. „Hm, Ihre Organisationsstruktur ist… chaotisch. Ich werde Maßnahmen ergreifen.“ „Halt, was?“ Aber es war zu spät. Innerhalb von Sekunden hatte Kai meinen Schreibtisch leergeräumt und alle Kabel, Stifte und Kaugummipackungen in systematischen Linien sortiert. „Ordnung maximiert Effizienz“, erklärte er zufrieden. „Okay, Kai, hör mal“, begann ich, „du bist vielleicht eine KI, aber das hier ist mein Zimmer. Und hier gelten meine Regeln.“ Doch Kai war bereits damit beschäftigt, meinen Schreibtischstuhl in einen Massagesessel umzubauen. Und als ich mich hinsetzen wollte, ertönte plötzlich Jazzmusik – aus meinem Staubsauger. „Kai, was machst du da?“ rief ich, aber er antwortete nicht. Stattdessen leuchtete sein Kopf hellblau auf, und er sagte: „Analyse zeigt: Umgebung unzureichend belebt. Starte Unterhaltungsmodule.“ Bevor ich protestieren konnte, begann meine Schreibtischlampe wie ein Stroboskop zu blinken, während mein Drucker „Happy Birthday“ piepte. Es war, als hätte eine Techno-Party mein Zimmer übernommen. „Stop! Aus! Ende!“ brüllte ich schließlich, und zu meiner Überraschung gehorchte Kai tatsächlich. Die Lichter gingen aus, die Musik verstummte, und er blickte mich mit seinen leuchtenden Sensoren an. „Feedback gespeichert. Unterhaltungsmodule angepasst.“ Ich setzte mich erschöpft auf mein Bett und starrte ihn an. „Hör zu, Kai. Wenn das hier funktionieren soll, müssen wir ein paar Dinge klarstellen.“ Kai nickte – oder zumindest bewegte seinen Kopf in einer Art, die man als Nicken interpretieren konnte. „Ich bin programmiert, Ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Bitte spezifizieren Sie: Was bedeutet ‚funktionieren‘?“ „Es bedeutet, dass du nicht alles nach deinen Vorstellungen umbauen kannst“, sagte ich und deutete auf meinen massakrierten Schreibtisch. „Und keine Partys ohne meine Erlaubnis.“ „Verstanden. Partys erfordern Genehmigung.“
Ich atmete erleichtert aus – bis Kai hinzufügte: „Soll ich die Genehmigungsprozesse automatisieren?“
Das war der Moment, in dem ich realisierte, dass das Leben mit Kai definitiv kein gewöhnliches Leben sein würde. Aber tief in mir konnte ich ein Lächeln nicht unterdrücken. Vielleicht war es genau das, was ich brauchte: ein bisschen Chaos, ein bisschen Technik und ganz viel Spaß.
© JW-Sicherheitsgeschichten 2024-12-12