von Laura Piana
Eine Weile war es still gewesen jenseits der Tür und Lea war ein bisschen zur Ruhe gekommen. Ihr Kopf brummte von den vielen Tränen und sie hatte den Kopf zwischen den Knien vergraben. Mit müden Augen starrte sie auf den weiß gekachelten Boden und fragte sich, ob der dicke Junge vor ihnen im Park wohl ein Kaninchen gesehen hatte. Sie schluckte. Bestimmt hatte er im entscheidenden Moment auf das Tablet seines Vaters geschaut, auf dem er schon beim Warten ohne Unterlass herumgetippt hatte.
Plötzlich klopfte es leise an der Tür. „Lea?“ Lea hob den Kopf, als sie die Stimme ihrer Großmutter vor der Tür hörte. „Oma?“, fragte sie leise. Einen kurzen Moment blieb es still und Lea robbte ein Stück an die Tür heran, um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich die Stimme ihrer Oma war. „Lea, darf ich reinkommen?“ Tatsächlich – das war ihre Oma. Stille. „Deine Mama hat mich angerufen und erzählt, was passiert ist.“ Lea antwortete nicht, sie legte ihre Stirn auf die Knie und schwieg. „Es tut mir leid, Lea.“ Die Stimme ihrer Oma war sanft, liebevoll und Lea fühlte ein tiefes Gefühl des Friedens in sich aufsteigen. Sie richtete sich auf und schloss die Tür auf. Dann ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. Ganz langsam wurde die Tür geöffnet und das Gesicht ihrer Oma erschien im Türrahmen. Die grauen Haare kräuselten sich um ihre schmalen, braun gebrannten Wangen und Lea musste unwillkürlich lächeln. Sie sprang auf und öffnete die Tür noch ein wenig weiter, sodass sie ihre dünnen Ärmchen um ihre Oma schlingen konnte. Leas Großmutter lächelte Lea aufmunternd zu, streichelte ihr über den Kopf und schob sich zu ihr ins Badezimmer. Lea ließ sie los und griff nach ihrer Hand. „Es ist schön, dich zu sehen, mein Kind.“ Lea nickte und musterte ihre Großmutter. Das Kleid, das sie trug, war viel zu groß und ließ ihre hagere Gestalt deutlich wuchtiger erscheinen. Oder lag es vielleicht auch an der unförmigen Ausbeulung an der linken Seite? Hatte ihre Oma da wohl etwas unter ihrem Kleid versteckt? Lea deutete neugierig auf die kleine Erhebung. „Was hast du denn da, Oma?“ Ihre Oma lächelte geheimnisvoll. „Ich hab dir was mitgebracht.“ Lea mochte den geheimnisvollen Klang, den die Stimme ihrer Oma angenommen hatte. „Ja?“, fragte sie gespannt, „was denn?“ Ungeduldig wartete sie auf die Antwort ihrer Großmutter, die sich offensichtlich über die Neugierde ihrer Enkelin amüsierte. „Mach mal die Augen zu“, sagte ihre Oma dann. Lea gehorchte ungeduldig der Aufforderung und wartete aufgeregt, was ihre Oma mit ihr vorhatte. Vorsichtig führte Leas Großmutter deren Hand zu dem geheimnisvollen Mitbringsel. Leas Finger berührten etwas Flauschiges. Es fühlte sich an wie … War das etwa …?! Lea riss die Augen auf und starrte auf das fellige Etwas zwischen ihren Fingern. Sie streichelte einmal über den weichen Stoff, dann nahm sie die Hand weg, um das Etwas ein bisschen genauer betrachten zu können.
© Laura Piana 2022-08-22