Kapitel 11: Die Partei

Nicolai Dörr

von Nicolai Dörr

Story

Seit die rechtspopulistische Partei ›NmU‹, das steht für ›Nicht mit Uns‹ im deutschen Bundestag sitzt, macht Paul sich Sorgen. Die Partei ist rassistisch, homophob, antisemitisch und hat, aus für Paul unerfindlichen Gründen, Hass auf Fabelwesen. Alice von der Weide, Vorstandsvorsitzende der ›NmU‹, die selbst eigentlich auch aus dem Wunderland kommt, hätte gerne die Zeit zurück, in der man Einhörner wie Paul gejagt und den spitzen Teil ihrer Köpfe als Trophäen an die Wand genagelt hat. Die Anhängerschaft der Partei ist zwar klein, doch man muss vorsichtig sein.

Um wenigstens irgendetwas zu tun, möchte Paul jetzt in die Politik und sieht sich dabei am ehesten in der Fu*k-Partei. Die Fu*k-Partei hat es sich zum Auftrag gemacht die Werte und Interessen von Fabelwesen, insbesondere von Feen und Kobolden, zu vertreten. Das Sternchen in ›Fu*k‹ steht u.A. für Einhörner, Waldkobolde oder Riesenschildkröten mit Wahrsagertalent.

Kevin, der Lebenspartner von Olli (oder so), ist auch in der Fu*k-Partei. Paul findet, dass Kevin tolle Reden auf dem Parteitag schwingt und nimmt sich vor, auch mal da oben zu stehen.

»Und darum müssen an Schulen auch endlich wieder mehr Märchen im Geschichtsunterricht besprochen werden!«, schließt Kevin seine Rede unter tobendem Applaus, Flügelschlag und Hufegetrappel.

Olli, der neben Paul steht, winkt Kevin zu sich. Kevin drückt sich durch die Menge und gibt Olli einen Kuss auf den Mund und nickt Paul freundlich zu. Paul wird ein bisschen rot, weil er mit einer Berühmtheit befreundet ist. »So, was kann ich tun?«, fragt Paul und zieht eine Schachtel Zigaretten aus seinem Fell. Kevin weist Paul darauf hin, dass man in geschlossenen Räumen nicht rauchen darf und die drei gehen erstmal vor die Tür.

»Das war eine tolle Rede, Kevin. Wie kann ich euch unterstützen? Seit gestern bin ich auch Mitglied in der Fu*k-Partei.« Paul kramt stolz seinen Parteiausweis aus seinem Geldbeutel und hält ihn Kevin vor die Nase. »Fu*k-Partei; Mitgliedsnummer: 0123456789; Name: Paul«, steht auf dem Ausweis. Daneben ein Wachsmalstiftbild von Paul. »Hast du den selbst gebastelt?«, fragt Kevin, etwas irritiert. »Quatsch«, sagt Paul. »Den hat Mutter mir gegeben. Ich habe nur ein Bild von mir dazu gemalt.«– »Gar nicht mal schlecht«, sagt Olli. Und Olli ist immerhin Maler.

Dann geht Kevin mit Paul in die Parteizentrale von Fu*k und gibt Kevin ein paar Unterlagen, Formulare und Blätter mit Paragraphen und Buchstaben. Das ist schlecht, weil Paul nämlich nicht lesen kann. »Das macht nichts«, sagt Kevin und liest ihm das komplette Wahlprogramm vor. Dafür braucht Kevin etwa 4 Tage.

Paul versteht zwar nicht viel von dem, was Kevin da liest, aber er bemerkt, dass das Wort ›Einhorn‹ auf keiner einzigen Seite erwähnt wird. »Ich glaube, das ist doch nichts für mich«, sagt Paul. Er entscheidet sich aber dafür, nächstes Jahr trotzdem mal wählen zu gehen. Denn eine Stimme für die Fu*k-Partei ist eine Stimme gegen die NmU.

© Nicolai Dörr 2022-08-15

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