Kapitel 12: Zoe

Zoe blickte aus dem Fenster in den blassgrauen Himmel. Die Wolken hingen so tief, dass sie beinahe das Meer berührten. Nicht einmal der vertraute Klang der Möwen war zu hören, nur das monotone Rauschen der Wellen. Es war ein trister Tag, so wie die Tage nach großen Stürmen eben waren.

Zum Glück waren keine großen Schäden entstanden. Lediglich ein paar Strandkörbe und Liegen, die nicht rechtzeitig weggeräumt worden waren, waren beschädigt, aber das ließ sich schnell beheben. Alle Bäume standen noch sicher im Erdboden verankert, es hatte keine Überschwemmungen gegeben und die Fenster ihres Cafés waren heil geblieben. Sie hatte schon viel schlimmere Stürme erlebt.

Zoe warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bevor sie öffnete. Da sie bereits alles vorbereitet hatte, griff sie nach der Zeitung, die sie vorhin aus dem Briefkasten gefischt hatte, setzte sich an ihren Lieblingstisch am Fenster und schlug die Zeitung auf. Die Schlagzeilen klangen nicht spannend, aber sie überfliegt die Artikel dennoch. Als sie beim Lokalteil ankam, schnappte sie erschrocken nach Luft.

Anscheinend wurde eine Jugendliche aus ihrer Stadt vermisst. Sie war vergangene Nacht trotz des Sturms nicht nach Hause gekommen. Diesen Morgen hatte man ihre Schuhe am Strand gefunden. Die Polizei ermittelte schon und schloss nicht aus, dass sie beim Sturm ins Wasser gegangen und ertrunken sein könnte.

Betroffen legte Zoe die Zeitung nieder und atmete tief durch. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es den Eltern gerade gehen musste. Obwohl sie selbst keine Kinder hatte, hing Zoe sehr an den Schülern, die oft in ihr Café kamen. Gerade ihre Stammgäste, die mehrmals die Woche kamen, waren fast wie eine Familie für sie.

Unwillkürlich musste sie an ein Trio denken, das sie schon seit vielen Jahren kannte: ein Junge und zwei Mädchen, eines eher ruhig, das andere lebhafter. Sie kamen manchmal nach der Schule, öfter nach dem Tauchen, und saßen immer am selben Tisch wie Zoe jetzt. Sie musste lächeln; es wäre schön, wenn die Drei heute ebenfalls kämen.