Kapitel 14

Ephchen

von Ephchen

Story

Michi betrachtete die Spiegelungen im Wasser, betrachtete sich selbst, die Augen, die Tränen, als Domi endlich zu sprechen begann: „Du weißt eh, dass wir im August einen wichtigen Termin haben!“

„Im August? Hm. Da haben wir was geplant?“

„Ich denke schon! Es sei denn, du bist zu feige?“

„Und was?“

„Da sind wir ja am Standesamt!“

„Am Standesamt?“

Und dann fiel die kleine Frage, die ein Leben verändert: „Willst du mich heiraten?“

Und so begannen sie eine Hochzeit zu planen; besichtigten Kirchen und Schlösser, buchten Caterer und Floristen, luden ein, suchten aus und planten den Rest. Die ersten Überlegungen zu einer Hochzeit hatte Michi aber mit Alex gehabt und so musste es unweigerlich geschehen, dass die begrabenen Erinnerungen wieder zum Leben erwachten und in den Gedanken zu Spuken begannen. Michi träumte sich Alex an die alten, gemeinsamen Orte, immer häufiger aber auch in neue, gegenwärtige Situationen und wusste nicht, woher diese Nostalgie, diese Idee kam. Als Michi und Domi einmal beim edelsten Interspar in der Schottengasse ihre täglichen Besorgungen machten, stand Alex gerade an der Kasse und war am Bezahlen und Gehen. Als das andere Mal Michi gerade über den Servitenplatz ging, saß dort Alex auf einer Bank und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen, wie sie es früher so oft getan hatten. Ein weiteres Mal sah Michi Alex im ‚Stomach‘ etwas essen, obwohl sie niemals dort gewesen waren. Es war zum Haare raufen! Umso besser es mit Domi ging, umso weiter die Planungen voran schritten, umso öfters kamen auch die alten Erinnerungen. Wie konnte da Michi nicht die Frage in den Sinn kommen, ob es nicht der Zweifel war, der ein übles Spiel spielte und all diese Trugbilder verursachte? Fehlte doch etwas? Als Michi wieder einmal etwas im Neunten zu erledigen hatte und über die Strudlhofstiege ging, war Alex gerade im Ehrenhof des Palais Liechtenstein, war mit einer Gruppe im Gespräch und war immer noch dort, als Michi beim Eingang vorbei ging; das Echo brach auch dann nicht ab, als die Mauer im Weg war. Es war allzu wahr und doch kaum zu glauben: Alex war zurück! Und Michi ging auf die Gruppe zu.

Verblüfft starrten sie sich eine zeitlang an, auch Alex konnte es nicht glauben, bevor sie sich entschieden ins ‚1090’ zu gehen, um ins Gespräch zu kommen; um sich zu erzählen, was sie die letzten Jahre so getrieben haben. Alex war ins Ausland gegangen – wie zu erwarten war – und baute sich dort ein Unternehmen auf, steckte alle Zeit in dieses eine Projekt und konnte es groß machen; so groß, dass es schon expandieren und Alex wieder zurück, zurück nach Österreich, kommen konnte. „Aber wenn ich ehrlich bin, hat es nicht gleich so begonnen! Zuerst habe ich mir irgendeinen Kellnerjob gesucht und… naja, meine Sorgen ein bisschen ersoffen. Da habe ich dann Max getroffen und gemeinsam haben wir eben die Firma gegründet; war eigentlich gar nicht meine Idee!“

© Ephchen 2021-08-15

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