von Markus Winkler
Im Kraftwerk
Endlich erreichte er die ersehnte Plattform. Er ließ sich auf den Gitterboden fallen und streckte seine zitternden Arme aus. Nachdem er sich etwas erholt hatte und seine Arme und Beine aufgehört hatten zu zittern ging er im Strahl seiner Lampe auf das Notstromaggregat zu. Er öffnete die Bedienklappe und drückte auf den Knopf mit der Beschriftung an.
Im ersten Moment tat sich nichts, doch dann erwachte das Aggregat mit einem tiefen Brummen und einige der Lampen, die im Schacht über und unter ihm angebracht waren, leuchteten schwach auf.
Vor ihm ragte der Quantencomputer in die Höhe und auch dieser erwachte mit einem Brummen und Zischen zum Leben. Das Zischen kam von der Wasserstoffkühlung, die nun auch wieder funktionierte. Peter wollte sich noch eine Verschnaufpause genehmigen und dann die Leiter hochsteigen und zurück in den Kontrollraum gehen. Doch plötzlich ertönte ein Alarm und eine laute Stimme. „Achtung, Reaktorkern in kritischem Zustand. Abschaltung nur manuell möglich. Zeit bis Kernschmelze zehn Minuten.“
Die Stimme wiederholte die Warnung immer wieder. Peter konnte es nicht glauben, der Notstrom reichte nicht, um dem Quantencomputer alle Funktionen zu ermöglichen. Es graute ihm davor, noch einmal fünfzig Meter in die Tiefe steigen zu müssen und die Steuerstäbe manuell in den Reaktor einzufahren.
Er ging an das Notterminal am Quantencomputer und tippte rasch einige Befehle ein. Wenigstens waren die angezeigten Strahlungswerte im normalen Bereich. Die Zeit war so schon verdammt knapp und hätte nicht gereicht, um einen Strahlenschutzanzug zu holen. Er musste sich beeilen. Schnell hatte er die Luke zur unter ihm liegenden Leiter geöffnet und machte sich an den Abstieg.
Mit klopfendem Herzen dachte er an das Beben, das ihn fast hatte in die Tiefe stützen lassen. Er durfte sich jetzt nicht von solchen Gedanken ablenken lassen. Immer weiter stieg er nach unten. Je näher er dem Reaktor kam, umso wärmer wurde es und auf seiner Stirn war bereits ein Schweißfilm. Beide Hände wurden immer feuchter und rutschten fast von den Leitersprossen ab. Er hatte gerade die Hälfte erreicht, da verkündete der Quantencomputer, dass ihm noch fünf Minuten verblieben. Seine Hände rutschten jetzt immer öfter ab und es wurde immer heißer um ihn herum. Dann geschah es, er verlor mit beiden Händen den Halt und stürzte. Er wollte gerade schreien, doch da prallte er auf harten Steinboden und war noch am Leben. Voller Konzentration hatte er nicht mehr nach unten geschaut und nicht bemerkt, dass er gerade noch einen Meter über dem Boden gewesen war. Er rappelte sich auf und drehte sich in Richtung des Reaktors als er in der Bewegung erstarrte.
Auf der Abdeckung des Reaktors stand eine Gestalt aus schimmerndem Licht. Peter überkam ein Gefühl von vollkommener Geborgenheit und Sicherheit. Die Gestalt streckte beide Arme von sich weg und im selben Moment ertönte die Stimme der KI.
© Markus Winkler 2023-12-19