Kapitel 14: Die Feuertaufe

Neo Knieps

von Neo Knieps

Story

Das Tor öffnete sich mit einem dumpfen Grollen, und Eira trat hinaus in den sandigen Hof. Die Hitze schlug ihr sofort entgegen, obwohl die Sonne an diesem Morgen noch tief stand. Der Boden unter ihren Füßen war trocken, von Fußabdrücken und Schlieren durchzogen, als hätten unzählige andere vor ihr dieselben Zweifel in diesen Sand getragen. Neben Eira standen drei weitere, die dem Heer der Zesto dienen wollte. Der Junge mit weinroten Haaren, den Eira beim Fest zusammen mit Jaolo hatte reden sehen, eine etwas jüngere Zesto, die aus einer ärmeren Familie zu stammen schien und zu Eiras Überraschung auch Alaea, die im Grunde für ihre Feuertaufe gesorgt hatte. Um sie herum waren zahlreiche Soldatinnen und Soldaten versammelt, 13 Ausbilder und 17 Ausbilderinnen, die ihnen gebannt zuschauten.

Ein Mann in einer schlichten roten Robe wartete in der Mitte des Hofes. Er hielt eine flache, goldene Schale, aus der eine einzelne Flamme aufstieg – keine wilde, peitschende Glut, sondern ein ruhiges, fast regloses Licht. Eira blieb stehen, als der Mann seine Stimme erhob. „Die Flamme ist Soliths Prüfung. Sie fragt nicht nach deiner Kraft, deinem Mut oder deinem Willen. Sie fragt nur: Bist du bereit, dich selbst zu verbrennen, um zu werden, was du noch nicht bist?“ Eira schluckte. Ihre Kehle war trocken. Die Kriegerin, die sie hergeführt hatte, nickte ihr aufmunternd zu, dann trat sie beiseite. Langsam ging Eira auf die Flamme zu. In ihrem Kopf war alles still geworden. Keine Zweifel, keine Bilder von der Zukunft oder der Vergangenheit. Nur der Moment zählte, dieser schmale, zitternde Grat zwischen Angst und Entschlossenheit. Sie hob die Hand. Die Flamme zitterte leicht, als spüre sie ihre Nähe. Ein letzter Atemzug – dann legte Eira die Hand in das nach ihr schlingende Feuer. Es war kein plötzlicher, greller Schmerz. Sondern ein tiefes, durchdringendes Brennen. Für einen Moment war da nichts als Licht – rohes, klares Licht, das durch jede Faser ihrer selbst drang. Als sie zurücktrat, bebte ihre Hand, aber sie ließ sie nicht sinken. Eine dünne, gerötete Linie zog sich über ihre Haut, doch sie empfand keinen Zorn, keinen Stolz. Nur eine stille, nüchterne Klarheit, die allerdings nicht bis in ihre Seele drang. Irgendetwas hatte sich verändert. Kein großes Wunder. Kein rauschender Triumph.
Nur ein feiner Riss, durch den etwas Neues drang. Als Eira aus dem Gebäude trat, fragte ihre Mutter nicht nach der Wunde, redete nicht über das Gelübde, sondern befreite ihren linken Arm und zeigte auf eine Brandnarbe, die sie unter einem Armband versteckt hatte.

Für einen Moment standen sie einfach nur da. Und obwohl die Sonne heiß auf ihre Haut brannte, war es diese stille Geste, die in Eira eine andere Art von Wärme aufsteigen ließ – eine Wärme, die sie zum ersten Mal spürte.


© Neo Knieps 2025-04-26

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Reflektierend
Hashtags