von Vivien Förster
Doch da erklang eine Stimme. Ich hielt inne und warf einen Blick über die Schulter. Mein ganzer Körper verkrampfte sich. Ari kam auf mich zugelaufen, sein Haar war zerzaust und seine Wangen waren vom Rennen gerötet. Atemlos kam er vor mir zu stehen. „Cam.“, keuchte er und musste erst einmal innehalten, um Luft zu holen. „Cam,“, setzte er wieder an, „bitte geh nicht. Bleib bei mir.“ Zögerlich streckte er seine Hand nach mir aus und berührte mich am Arm. Seine Hand war warm und vertraut und für einen Moment schloss ich die Augen. Ich dachte an all die Jahre, die wir uns nun kannten und dann an unseren Kuss. Er machte es so viel schwieriger. Doch nicht schwierig genug.
„Ich kann das nicht.“, flüsterte ich und schüttelte seinen Griff ab. Ich spürte seinen Schmerzen in meinem eigenen Herzen, oder vielleicht war es auch mein eigener Schmerz. Ich war mir nicht sicher, doch es spielte keine Rolle. Er würde es verkraften. Ari hatte ein starkes Herz. Ich wandte mich wieder den Bäumen zu. Die Grenze, die Paris von dem Tod trennen sollte. Zumindest hatte die Regierung und jeder den ich kannte mir seit meiner Kindheit dies eingetrichtert. Doch ich fragte mich langsam, ob nicht vielleicht auch das eine Lüge gewesen war. Denn schließlich sah der Wald, die Bäume, die Pflanzen so friedvoll aus, nicht gefährlich oder tödlich. Ich ging einen weiteren Schritt vorwärts. „Bleib, bitte. Ich weiß, dass es im Moment verwirrend und schrecklich ist. Ich weiß, dass sie dich belogen haben, aber wir können es zusammen durchstehen. Bleib, für mich.“, bat Ari erneut. Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern und ich hörte, wie sie brach. „Zwing mich nicht hier zu bleiben, Ari. Ich will nicht länger so leben, ich kann nicht länger so leben. Zwing mich nicht, so wie ich dich nicht zwingen werde.“ Ich küsste meine Fingerspitzen und reckte sie ihm dann entgegen. Ein Abschiedsgruß. Ari kam einen Schritt auf mich zu und im selben Moment wurde ich von der Natur verschluckt.
© Vivien Förster 2022-09-01