Genau wie Amara erkannte auch ihr Feind den Wert und Beitrag von Valentina. Mit ihrer Widerstandsmagie überstand sie scheinbar unmögliche Verletzungen, ihre Stärkungsmagie ließ sie Feinde gezielt mit einzelnen Schlägen töten, und durch den Segen des Mars blieb sie am Leben.
Gerade als Amara ihre Deckung verließ, um Heilungsmagie auf Valentina zu wirken, schien die Realität zu zerreißen. Es war, als würde sie ein Bild betrachten, das die Szene vor ihr widerspiegelte, und jemand hätte dieses Bild mit einem Schwert zerteilt, sodass beide Hälften in unterschiedliche Richtungen verrutschten. Valentinas Schrei verstummte, während ihr Körper in zwei Richtungen zugleich kippte. Dafür schrien mehrere der von Ukirson angeheuerten Sicherheitskräfte, als sie Finger, Arme und Beine verloren.
Elvedin, schwer verletzt und langsam ausblutend, reagierte als Erster. Seine Nekromantie erfüllte den Raum, zog Gliedmaßen und Körper zusammen und erfüllte sie mit entropischem Leben. Aus dem Knacken und Verschmelzen blutgetränkter Knochen entstand ein Fleischgolem, der sofort begann, die verletzten Sicherheitskräfte anzugreifen.
Ukirson, abgelenkt durch die neue Gefahr, reagierte zu langsam. Er bemerkte nicht, wie Cem Yasdan, der zu Beginn der Kämpfe seinen Tod durch einen Feuerball vorgetäuscht hatte, plötzlich hinter ihm auftauchte und ein runenverziertes, geflochtenes Goldseil um seinen Hals schlang. Dessen Körper verkrampfte sich, seine Magie erlosch schlagartig, und seine Reserven brannten aus, als die Verzauberung des Seils ihre Wirkung entfaltete.
Sang- und klanglos, ohne einen epischen letzten Kampf oder einen fĂĽr Chronisten befriedigenden Abschluss, wurde Ukirson gefangen genommen.
Amara war verdutzt. Sie hatte nichts zum Kampf beigetragen, all ihre aufgesparte magische Energie war ungenutzt geblieben. Weder konnte sie Valentina oder Kiano retten, noch die Gefangennahme von Bedranas mutmaßlichem Mörder für sich verbuchen. Ihre Übervorsichtigkeit hatte auch ihr einen zufriedenstellenden Abschluss verwehrt.
Sie wendete sich Ukirson zu, den verletzten Elvedin ignorierend. Diese Gruppe hatte ihren Zweck erfüllt; ab jetzt lag sein Schicksal in den Händen der Göttin. Sie trat auf den Gefangenen zu, der sie mit resigniertem Blick anstarrte. An seiner Hüfte fand sie eine Ledertasche, die ein kleines Buch enthielt. Amara erkannte die Schrift sofort – eine Sprache der Alten Welt. Ein Relikt? Das Relikt? Von der Größe her würde es perfekt in die Vitrine in Bedranas Salon passen. Ihr Blick wanderte zurück zu Ukirson. „Ist es das, was du gestoh…“, begann sie, doch ihre Stimme brach ab, als sich der Blick des Gefangenen vor Schreck weitete. Seine Iris verblasste, kleine Äderchen platzten, und unsichtbare Qualen verwüsteten seinen Geist.
„Nein!“ Amara versuchte, mit ihrer Magie einzugreifen, doch es war zu spät. Ukirsons lebloser Körper kippte vor ihr zu Boden, seine Geheimnisse mit ins Grab nehmend.
© Aaron Reissner-Goldammer 2024-12-20