Kapitel 2 – Von Prinzen und Schlössern

Kimeey

von Kimeey

Story

Das weiche Gras umschlang meine nackten Beine als ich mir den Weg durch die Wiese bahnte. Die Sonne brannte auf mich herab und leise hörte man Vögel zwitschern, die sich selbst von der glühenden Hitze nicht die Stimmung nehmen ließen. Meine langen rotblonden Haare hatte ich zu einem Dutt gebunden, mein Kleid war seidig lang und wehte bei jedem noch so kleinen Luftzug im Wind, was natürlich eine willkommene Abkühlung war bei der sengenden Mittagshitze. Vielleicht hätte ich bis zu den späten Abendstunden warten sollen, doch meine Aufregung, meine Vorfreude und meine Ungeduld waren viel zu groß, als dass ich noch eine Minute länger hätte warten können. Langsam, aber sicher kam das alte verwucherte Schloss in mein Sichtfeld. Vor allem im Frühjahr übernahm sich die Vegetation komplett und alles blühte in den schönsten Farben, doch auch im Sommer gab es die ein oder andere Blume, die sich der glühenden Hitze trotzte. Das meiste war durch Zeit und Wetter gezeichnet, doch der große Ballsaal war noch fast in Takt. Es gab keine Scheiben mehr, nur vereinzelt zerbrochene Stücke, die sich mit dem letzten bisschen Kraft an den Mauern festhielten und bei jedem Wetterwechsel drohten aufzugeben. Der Marmorboden war an vielen Stellen zerbrochen, man konnte jedoch noch problemlos auf ihm gehen und die weißen Mauern wurden mit der Zeit immer gräulicher. Vor allem Efeuranken schlängelten sich um die alten Gemäuer und würden das ganze Gebäude irgendwann zum Einbruch bringen. Doch bis zu diesem Zeitpunkt müssten noch viele Winter und Sommer vergehen. Nichts war für die Ewigkeit erschaffen, alles würde irgendwann zu Mutter Erde zurückgehen und zu dem werden, was es einmal war. An der Decke des Saales waren Gemälde von Engeln, von vergangenen Zeiten, von fantastischen Fabelwesen und Tieren. Sie erzählten von wundersamen Begegnungen und gottesähnlichen Träumen. Sie erzählten von Abenteuern und den einfachsten alltäglichen Geschichten, die (wenn man sie genauer betrachtete) fast genauso spannend sein konnten. Ich war gerne im Schloss. Dort fühlte ich mich wie eine Prinzessin, die über ihr eigenes Reich herrschte, welche sich mittags Klagen, der Bauern anhörte und abends mit jedem Bewunderer im großen Ballsaal tanzte. Das Kribbeln in meinem Bauch, wenn ich an die Ruine dachte, gab mir das Gefühl, als könnte die Welt mir gehören. Als könnte ich tatsächlich etwas erreichen und nicht nur eine einfache Bäuerin sein, die sich tagtäglich um ihre Tiere kümmerte, die Erdbeeren pflückte und sich von ihrem werten Herr Vater anschreien ließ, wieso man nach Sonnenuntergang erst zurück war. Versteht mich nicht falsch – mein Leben war vermutlich ein Traum (für den einen oder anderen). In der kleinen Dorfschule war ich immer die Beste, auch an Freunden mangelte es mir nie. Meine Mutter, Margarethe, war liebevoll und aufmerksam. Mein Vater, August, war vernünftig und streng. Mein kleiner Bruder, Mikael, war nervig, doch ohne ihn wären meine Tage sehr trüb.

© Kimeey 2022-06-23

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