von Jessica Hauff
„Das Schicksal meint es einfach nicht gut mit mir“, dachte Emma. Sie flog nicht besonders oft, doch mit den Sicherheitskontrollen stand sie seit jeher auf Kriegsfuß. Bei ihrem ersten Flug hatte sie vergessen ihr kleines Taschenmesser vom Schlüsselbund zu trennen und in den Koffer zu stecken. Die Dame, die ihre Tasche kontrolliert hatte, hatte sich sehr darüber gefreut. Es war immerhin ein Schweizer Taschenesser gewesen. Danach achtete Emma zwar immer akribisch darauf, alle Anweisungen zu befolgen, doch die Schranken hatten sie auf dem Kieker. Emma piepte jedes Mal, genauso wie heute. Eine junge Frau in Uniform trat an sie heran und bat darum, Emma abtasten zu dürfen. Nach ihrem Urteil musste wohl ihr Bügel-BH der Übeltäter gewesen sein, doch man würde nun auch noch ihr Gepäck überprüfen. Emma wurde hinter eine Glaswand geführt, hinter der schon ein griesgrämig dreinblickender Deutscher Schäferhund auf sie wartete. Er schnüffelte an ihren Beinen und Socken, wühlte dann mit der Schnauze in ihrem Rucksack herum und steckte sie dann in ihre Schuhe. Nun tat er Emma wirklich leid, bei diesen Temperaturen rochen die Schuhe bestimmt nicht besonders angenehm. Als auch der Hund nichts Verdächtiges in Emmas Gepäck finden konnte, durfte sie gehen. Schnell lief Emma auf Gate siebzehn zu und musste schon wieder rennen, weil die Schlange der Einsteigenden bereits immer kürzer wurde. Gerade verschwand der junge Mann, der sie vorhin so aus dem Konzept gebracht hatte, in der Gangway. Er flog also auch nach Island. Emma fragte sich, ob sie wohl noch die Gelegenheit haben würde, sich mit ihm zu unterhalten, ohne sich komplett zu blamieren. Ihr Glück für heute hatte sie allerdings schon aufgebraucht. Denn als Emma endlich im Flugzeug auf ihrem Platz saß, wurde sie von einer jungen Mutter mit quengelndem Baby auf dem Schoß und einem alten Mann flankiert, der auf einer Lakritzstange herumkaute. Keine Spur mehr von dem gut aussehenden Fremden. Emma registrierte, dass sie seltsam enttäuscht war. Dabei war sie doch gerade erst von Daniel getrennt, von dem sie zumindest dachte, dass sie ihn geliebt hatte. Doch so einen starken Eindruck, wie dieser Fremde, hatte Daniel noch nie auf Emma gemacht. Und dabei hatte sie sich mit dem Kerl noch nicht einmal unterhalten. Bevor Emma jedoch weitere Überlegungen anstellen konnte, forderte der Schlafmangel der Nächte zuvor seinen Tribut. Emma nickte ein, noch bevor das Flugzeug von der Startbahn abhob.
© Jessica Hauff 2022-08-11