von Nele_Nike Pfau
Nachdem die letzten Gäste gegangen waren, half Enna Lina beim Aufräumen und Vorbereiten für den nächsten Tag, füllte Getränke und Geschirr auf und richtete die Tische her, sodass alles wieder hübsch und einladend aussah. Sie machten alle Türen und Fenster weit auf und als der frische Abendwind durch die Räume zog, ließen sie sich erschöpft aber zufrieden auf die Samtsessel fallen und genossen den Moment der Stille bei einer Sirupmischung auf viel Eis. Während sie dort saßen, dämmerte es allmählich und kleine graue Wolken zogen über den rosaroten Himmel. Die Vögel sangen draußen noch in den Bäumen und man konnte das leiser werdende Treiben der Menschen auf der Straße hören. Lina grinste Enna über ihr Glas hinweg an und freute sich wieder einmal mehr darüber, dass Enna bei ihr gelandet war.
Die Luft war schwer um sie herum und es lag eine Anspannung in ihr, die Vorbote eines Unwetters war. Ennas weitläufiges Grundstück war von einer kleinen Mauer aus Natursteinen umgeben und ein breiter sandiger Weg schlängelte sich von der Einfahrt einen Hügel hinauf, bis zu dem alten schwarzen Holzhaus, in dem sie wohnte. Die kleinen grauen Wolken wuchsen zu großen dunklen Wolkenbergen heran und noch bevor Enna die kleine Steinmauer erreichte, fing es an zu regnen. Es grollte in der Ferne und das Echo wurde so dumpf von den Bergen zurückgeworfen, dass es ihren Körper durchzog und erbeben ließ. Das Wetter in den Bergen war für Enna immer wieder ein beeindruckendes Schauspiel. Innerhalb von Sekunden konnte der Himmel sich verdunkeln und vorbei war es mit der lauschigen rosaroten Sommerdämmerung. Sie beeilte sich den Hügel hinaufzukommen, was bei dem immer stärker werdenden Wind gar nicht so leicht war. Also stieg sie vom Fahrrad ab und schob das letzte Stück. Ihre vom Wind zerzausten Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst und klebten ihr nun feucht und strähnig auf den Wangen und auf der Stirn. Ihr Leinenkleid klebte ihr an den Beinen, als sie oben ankam und während sie mit einer Hand die Schuppentür öffnete, prasselten immer mehr dicke Tropfen auf sie herab. Der Himmel hatte sich dunkel lila verfärbt. Dann zuckte ein Blitz plötzlich quer über den Himmel und erhellte die Landschaft für einen kurzen Moment. Die Umrisse der Berge hoben sich leuchtend von den dunklen Wolken ab und die Bergspitzen stachen weiß aus dieser unwirklichen Landschaft hervor. Danach herrschte angespannte Stille. Die Natur schien den Atem anzuhalten. Für eine kleine Ewigkeit stand die Zeit still. Doch dann … ein ohrenbetäubend lauter Knall ertönte! Der Donner rollte dröhnend durch das Tal und wurde wieder und wieder von den Bergen zurückgeworfen. Es grollte und es schepperte und plötzlich wurden all die Geschichten über das Treiben der Bergtrolle wahr. Riesen mussten es sein, die dort ganze Felsen ins Tal hinab schleuderten. Ein weiterer Blitz erhellte den Himmel und Enna meinte in Richtung der Berge Umrisse zu erkennen, die sie so noch nie gesehen hatte. Sie liebte Gewitter aber hier in den Bergen, waren das noch mal ganz andere Ausmaße. Der kurze Weg vom Schuppen über den Hof ließ sie völlig durchnässt an der Haustür ankommen. Ein Miauen, welches von dem lauten Dröhnen des Donners und dem Rauschen des Regens beinahe übertönt wurde, ließ sie sich noch einmal umschauen. Dicht an die Häuserwände gedrückt, beeilte sich eine völlig durchnässte Auri ebenfalls ins Trockene zu kommen.
© Nele_Nike Pfau 2023-06-24