Kapitel 4: Illusion

dreistgemeine

von dreistgemeine

Story

Du hast keine Ahnung wie du gehen sollst. Du weißt, dass du gehen willst, aber du hast niemanden der dir helfen könnte. Deine erste Strategie ist es, mit deiner Familie so wenig wie möglich umgehen zu müssen. Deine Zweite ist es, aus deiner Komfort-Zone zu brechen und auf Menschen zuzugehen. Du willst Freunde gewinnen.

Deiner Familie aus dem Weg zu gehen ist inzwischen wie ein Instinkt geworden. Du brauchst gar nicht mehr darüber nachzudenken, wie du sie am besten vermeidest. Sie werden nur zu einem Problem, wenn sie dich ungeplant dabei erwischen überhaupt zu existieren. Dementsprechend bist du so oft wie nur irgend möglich in deinem Zimmer und liest oder zockst eins deiner Lieblingsspiele. Online findet man schnell Freunde, aber wieso nicht in der Realität? Du fragst dich, seitdem du angefangen hast eine Online-Existenz aufzubauen, was du falsch machst, dass du in der echten Welt so abstoßend wirkst. Du bist eigentlich immer hilfsbereit, nett und engagiert gewesen. Dann fragst du dich, ob es an deinem Aussehen liegt. Du blickst in den Spiegel und merkst durch die Gedanken verstärkt, wie hässlich du bist. Und du fängst an zu verstehen. Du beginnst noch mehr zu grübeln. Das wird der Grund sein, weshalb dich keiner kennen will. Das wird der Grund sein, weshalb dich keiner kennenlernen will. Das wird der Grund für die Enttäuschung sein, die deine Eltern in dir sehen. Weshalb sie immer einen Fehler in dir gesehen haben. Jetzt erkennst du, dass du der Fehler bist. Und schon hast du noch einen Grund, weshalb andere dich meiden würden. Nicht nur dein Aussehen, sondern auch dein schwindendes Selbstwertgefühl. Falls es überhaupt jemals vorhanden war.

So gestaltet es sich zunehmend schwerer, Menschen zu finden die einen so akzeptieren und mögen wie man ist. Menschen zu finden, denen man wahrhaftig vertrauen kann. Auf deren Hilfe man vertrauen kann, egal wie schwer es werden kann. Und selbst wenn es zu viel werden würde, dass sie es ansprechen anstatt vor dir flüchten. Aber du versuchst es. Du versuchst Menschen zu finden, die deine Freunde sein könnten und es auch sein wollen. Du wünschst dir Zuneigung, Aufrichtigkeit, Vertrauen und Loyalität. Aber es ist nicht nur schwer Menschen zu finden, die bereit sind deine Freunde zu sein, sondern Freunde zu finden, die genau die Werte vertreten und genau die Eigenschaften haben, die du an Menschen schätzt. Freunde zu finden, die dich nicht für den nächstbesten sitzen lassen. Du versuchst es und scheiterst. Also bleibst du lieber in deiner virtuellen Welt. Denn da verbindest du dich mit Menschen von überall her, die dir im schlimmsten Fall nichts anhaben können, da sie weit weg sind. Im besten Fall fährst du voller Vorfreude stundenlang zu dieser Person, nur um sie zu umarmen. Nur für eine Umarmung, die du dir scheinbar nur von Menschen aus dem Internet verdienst, nicht von deiner Familie oder deinem Umfeld.


© dreistgemeine 2024-05-14

Genres
Romane & Erzählungen