Kapitel 5

Melanie Nielson

von Melanie Nielson

Story

Als Hanna nach einer Ewigkeit nach Hause zurückkommt, läuft Bertram nervös den Flur auf und ab. Sie tritt durch die Eingangstür und schaut ihn fragend an. Er wirkt wütend und stellt ihr viele Fragen dazu, wo sie die ganze Zeit war. Hanna hat Bertram noch nie angelogen, aber heute hat sie keine andere Wahl. Zu unwirklich würde die Wahrheit in seinen Ohren klingen. Er ist ein realistischer Mann. Für ihn sind nur Statistiken und Zahlen Aussagekräftig, er hat keine große Fantasie und wird niemals an Dinge glauben, die nicht sachgerecht hinterlegt und seit Jahren geprüft sind. Bertram hat zusätzlich in den letzten Jahren einen gewissen Kontrollzwang entwickelt und will immer über alles informiert sein. Sogar der Internetzugang und Suchverlauf wird von ihm ständig kontrolliert, aus Angst ein Nachbar könnte sich in unser WLAN hacken oder unser Sohn besucht Internetseiten die nicht für sein Alter gedacht sind. Daher erklärt sie ihm ausführlich, wie sie einem Kollegen geholfen hat. Sie versucht die Geschichte schön auszuschmücken, damit es glaubhafter klingt.

Als Hanna nach oben ins Kinderzimmer geht, kommt ihr schon Alex freudestrahlend entgegengerannt „Mama, hast du mir Spielzeug mitgebracht?“ Hanna zögert einen Moment, bevor sie antwortet. „Ähm, nein, leider nicht. Im Haus von Opa gab es nichts Brauchbares.“ Alex schaut enttäuscht zu Boden und Hanna kann spüren, wie sich ein schlechtes Gewissen in ihr breitmacht. Ihren Sohn anzulügen fällt ihr noch schwerer als ihren Ehemann.

Wenig später, als alle drei zusammen beim Mittagessen sitzen, bemerkt Hanna, dass Bertram sich merkwürdig verhält. Er starrt sie mit einem seltsamen Ausdruck an, als ist er wütend auf sie und weiß, dass sie ihn angelogen hat. Zusätzlich herrscht eine seltsame Stille am Tisch, die nur ab und zu durch das Kichern von Alex unterbrochen wird, der während des Essens sein Kinderheft in den Händen hält. Hanna spürt, dass etwas nicht stimmt, aber sie kann nicht genau sagen, was es ist. Sie räumt schweigend den Tisch ab und bringt das Geschirr in die Küche. Als sie die Küchenutensilien einsortiert, bemerkt sie plötzlich ein leeres Fach im Messerblock. Ein kalter Schauer läuft ihr über den Rücken, als ihr die Möglichkeit durch den Kopf schießt, dass das blutverschmierte Messer, das sie im Haus ihrer Eltern gefunden hat, aus ihrer eigenen Küche stammen kann. Hanna versucht ihr schockierten Gesichtsausdruck vor Bertram zu verstecken. Ohne große Erklärung nimmt Hanna ihre Jacke vom Hacken, eilt zur Eingangstür und ruft ihm nur zu, dass sie noch schnell was in der Drogerie besorgen muss.

Draußen angekommen, schnappt sie vor Aufregung nach Luft. Ihr Herz schlägt immer schneller und sie fragt sich was hier gerade passiert. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, geht sie schnellen Schrittes zum nahe gelegen Park. Im Park angekommen, schlendert Hanna ziellos umher, bis sie schließlich auf eine Bank am Ufer des Sees stößt. Sie setzt sich und starrt auf die spiegelglatte Wasseroberfläche, während ihre Gedanken wild umherwirbeln. Plötzlich durchzuckt sie eine Eingebung.


© Melanie Nielson 2024-01-09

Genres
Spannung & Horror