Kapitel 5: Annäherungsversuche

Vier Wochen konnte ich niemanden wirklich in die Augen schauen, weil ich auf eine gewisse Art das Gefühl hatte, ihn zu betrügen. Dabei ist er doch gegangen. Also habe ich gewartet. Habe darauf gewartet, dass es mich nicht mehr zerreißt, dass ich weitermachen kann.

Endlich habe ich mir eine Dating App heruntergeladen. Beim ersten Versuch habe ich mein Profil erstellt und mir genau zwei Menschen angeschaut. Zwei haben gereicht, damit ich mich schuldig fühle und die App sofort gelöscht habe, weil ich es nicht wahr haben wollte nach unserer gemeinsamen Zeit an diesem Punkt zu stehen.

Es vergehen einige Wochen bis ich das Gefühl habe, dass es mir besser geht und nach vorne blicken kann. Also der zweite Versuch. Wieder die gleiche App, wieder das gleiche Profil. Diesmal schaffe ich es länger auf der App zu verharren, lerne andere Leute kennen und schreibe mit einigen. Stolz zeige ich meinen Freund*innen diesen Erfolg. Doch alle fragen mich warum ich mir Leute ausgesucht habe, die genauso aussehen wie er und die selben Interessen haben. Verwirrt schaue ich sie an und fange an zu lachen, weil ich glaube, dass das nicht stimmt. Ich schließe die App und lebe meine Tage weiter.

Doch es lässt mich nicht in Ruhe. Deshalb öffne ich die App zu Hause noch einmal. Akribisch durchforste ich die Profile meiner Gegenüber und bemerke dabei die schmerzende Wahrheit. Jeder Einzelne spiegelt ihn wieder und mir ist es nicht einmal aufgefallen.

Mein Magen zieht sich zusammen und ein ungutes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Es fängt wieder an weh zu tun. Keine Spur von ,,über ihn hinweg sein“ oder ,,nach vorne blicken“, im Gegenteil, ich blicke wieder zurück, wieder zu ihm. Sofort lösche ich die App und lege mich auf mein Bett. Er hat mich so konsumiert, dass ich nichts mehr fühlen kann. Ich merke, wie sich alles in mir aufstaut, doch es gelangt nicht an die Oberfläche.

Du drückst die Erinnerungen unter dich, sodass du sie als Podest für dich selbst nutzen kannst. Selbst nach Monaten schaffe ich es nicht mich auf eine neue Beziehung einzulassen und das alles nur, weil du mir die hoffnungsvolle Zukunft nimmst. Die Bilder, die meine Traurigkeit auslösen, spielen mir einen Streich, sie lassen mich tiefer sinken und ohne Skrupel machst du damit immer weiter.

So sehr, dass ich mich davor fürchte, eines Tages aufzuwachen und nicht mehr aufstehen zu wollen, weil ich mich nur noch leer fühle.