Kapitel 6

Clara Grunwald

von Clara Grunwald

Story

Wie war das möglich? Warum hatte sein Vater behauptet sie sei tot? Iares schwankte. Mit zitternden Händen hob er die Papiere vom Tisch und begann zu lesen. Er erfuhr, dass seine Mutter vor 10 Jahren in eine Psychiatrie eingewiesen worden war und sie dort behandelt wurde. Besucher durfte sie keine empfangen, wobei sich Iares sicher war, dass sein Vater sie hätte besuchen können, wenn er gewollte hätte. In Iares´ Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Er sah sich die Berichte genauer an und fand endlich den Befund, der preisgab, was seiner Mutter angeblich fehlte. Iares wurde plötzlich schlecht und sein leerer Magen rebellierte. Es handelte sich bei ihr um eine Erbkrankheit, die psychotische Störungen, Halluzinationen und Phobien hervorrief. Dem Bericht nach war seine Mutter oft in “ihrer Welt” und Iares entdeckte eine Notiz in der krakeligen Schrift seines Vaters.

Unheilbar. Verrückt.

Iares´ Augen wurden groß. All die Jahre hatte sein Vater ihn belogen und seine Mutter letztendlich als Verrückte abgestempelt.

>Iares was machst du da?<, erklang plötzlich die Stimme seines Vaters. Robert Richter war ein hochgewachsener Mann, aber dennoch breitschultrig und gepflegt. Seine Frisur saß perfekt, der Bart war getrimmt und der Anzug, den er trug, maßgeschneidert. Vorwurfsvoll musterten seine dunklen kalten Augen seinen Sohn. Iares konnte sich nicht mehr daran erinnern in diesen Augen jemals Wärme oder Liebe gesehen zu haben, vielleicht früher einmal … Iares zuckte zusammen als die Tür ins Schloss fiel und er seinem Vater nach ziemlich langer Zeit mal wieder allein gegenüber stand. Doch als dieser Iares von oben herab musterte, wurde er wütend.

>Wann hattest du vor es mir zu sagen?<, fragte Iares schneidend und hielt dabei die Berichte hoch, die er gefunden hatte.

Sein Vater blieb unbeeindruckt. >Alles, was ich getan habe, tat ich um dich zu schützen<, meinte er ruhig.

>Einen Scheiß hast du!< Iares wurde zu nehmend ungehaltener. Er knallte den Stapel in seiner Hand mit Schwung auf den Tisch und sämtliche Papiere stoben auf und flatterten durch die Luft zu Boden.

>Du hast mich hier eingesperrt! Du hast mich angelogen was meine Mutter betraf und du lügst mich noch immer an! Ich bin nicht dein Eigentum und das kannst du Mama nicht antun! Wie kannst du das hier nur alles rechtfertigen? Du kannst nicht weiter lügen oder mich hier einsperren! Ich weiß von dem Unfall! Also sag mir endlich die Wahrheit!< Iares keuchte und sein Herz raste. Er hatte seinen Vater noch nie angeschrien, aber es fühlte sich gut an die aufgestaute Wut endlich los geworden zu sein.

>Wenn du von dem Unfall wüsstest, wärst du schon längst nicht mehr hier.<

Kalte Worte.

Iares´ Herz machte einen Satz und ohne ein weiteres Wort stürmte er an seinem Vater vorbei. Er rannte aus der Villa, rannte die Straßen des Waldstraßen-Viertels entlang, rannte immer weiter bis er den Augustusplatz erreichte. Erschöpft fiel er auf die nächste freie Bank und schloss die Augen.

© Clara Grunwald 2021-07-28