– Kapitel 6 – Zu Hause

Nadine Ahlfeld

von Nadine Ahlfeld

Story

Du warst und bist viel bei mir. Wie oft bist du schon bei mir über Nacht geblieben? Weil du etwas getrunken hattest, nicht mehr fahren konntest. Weil draußen ein Unwetter war, du nicht alleine in deiner Wohnung sein wolltest. Weil es dir schlecht ging, du jemanden zum Reden und Zuhören brauchtest. Aber dieses Mal war es anders. Wir haben wie immer geredet, zusammen hier gesessen und gelegen, die Zeit einfach genossen. Eben nichts Besonderes, aber du willst jetzt hierbleiben? Hier, bei mir?

Du versteckst dich vor meinen fragenden Blicken. Weißt du selber nicht genau, warum du heute bleiben wolltest, warum du gerade jetzt bei mir bleiben wolltest? Hattest du jetzt Angst vor meiner Reaktion, weil ich diese Frage nicht einordnen konnte und du das selber wusstest? Dass du selber wusstest, wie seltsam das jetzt gerade klingt, weil es keinen Anlass dazu geben würde? Bräuchte es das für mich?

Eigentlich könntest du jeden Abend, jeden Tag, bis zum aller letzten, hier bei mir bleiben. Dass dieser Moment nicht endet, wenn wir von meinem Balkon gehen, sondern dass ich dich auch in der Nacht weiter in meinen Armen halten, dein Duft weiter riechen und deine Wärme weiter spüren kann. Dass sich meine Wohnung dann auch endlich nach zu Hause anfühlen würde und nicht einfach nur ein Ort zum Schlafen und Verweilen ist. Ein richtiges zu Hause eben, wo ich mich angekommen, angenommen und willkommen fühlen kann. Eben so, wie du es auch immer wolltest. All das würdest du schaffen, wenn du bei mir bleiben würdest. Brauche ich da einen Grund, warum du gerade heute bleiben willst?

„Wenn ich gehen soll Chris, dann ist das auch okay.“ Als du mich aber anschaust, sehe ich, dass es dir nicht egal ist. Dass du selber hoffst, dass ich es zulassen würde. Du schaust mich traurig an, etwas besorgt. Normal schaust du mich nie so an. Habe ich etwas getan?

Der Abend blieb der gleiche. Es war nichts Besonderes. Wir sprachen über die gleichen Themen, es gab nichts Neues bei uns beiden. Warum heute und was habe ich getan, dass du mich gerade so anschaust und bleiben willst? Brauche ich einen Grund dafür, dass ich dich hierlassen würde? Könnte ich dadurch herausfinden, was du gerade wirklich denkst? Noch ein bisschen mehr über Jenny rausfinden, über die geheimnisvolle und mystische Person hinter dir?

Du schaust wieder weg, möchtest gerade aufstehen. Willst du gehen, weil ich nicht antworte? Meine Antwort, ich halte dich fest in meinen Armen, lasse dich nicht gehen und du schaust mich wieder an. Besorgt, aber das schwindet. Du lächelst. „Ich würde mich freuen, wenn du heute Nacht bei mir bleiben würdest Jenny.“ Du legst vorsichtig eine Hand an meinen Kopf und schaust mich liebevoll an. „Danke Chris.“

Du gibst mir einen Kuss auf meine Wange, kuschelst dich wieder an mich ran. Ich schaue zu dir runter, muss lächeln und genieße dort den Moment wieder. Zusammen mit dir auf meinen kleinen Balkon in der sternenklaren Nacht. Nur du und ich, die Welt bleibt für einen magischen Moment stehen.

© Nadine Ahlfeld 2021-04-15