Kapitel 8

Rebekka Görtler

von Rebekka Görtler

Story

Nach dem Frühstück geht es zurück in den See. Ball spielen, um die Wette tauchen, paddeln, plantschen oder sich einfach treiben lassen. Meine Ohren sind unter Wasser und hören die Probleme der Welt nur dumpf. Die Sonne brennt auf meine nackte Haut herab, aber ich bin noch zu jung, um mir schon über Falten Gedanken zu machen.

So verfliegen die Stunden, so verschwimmt der Tag. Wortwörtlich. Irgendwann sind meine Hände so schrumpelig wie Rosinen, ich fröstle und mein Magen knurrt. Es ist jetzt später Nachmittag.
Daniel sitzt unter dem Baum im Gras, drei leere Flaschen Bier neben ihm. Als ich ihn auf den Mund küsse, weiß ich auch, wohin der Inhalt verschwunden ist.
Hinter unserem Zelt wartet ein improvisiertes Grill-Reste-Buffet auf mich. Und Tjaden.
„Du kannst nicht ewig vor mir davonlaufen.“ Er packt mich grob an den Armen, ehe ich wieder flüchten kann. „Du weißt es doch: Ich liebe dich.“
Mein Körper kribbelt elektrisiert. Tjadens Lippen schmecken nach Seewasser, seine Haut ist weich, doch die Wangenknochen hart, als ich mit meinen Fingerspitzen darüberstreiche.
„Nein!“
Und mit einem Mal bricht die Hölle los. Irgendetwas trifft mich am Kopf, ich strauchle und spüre matschige Tomaten, Spiralnudeln und Mozzarellabällchen in meinem Gesicht.
Der Nudelsalat. Lena hat die Schüssel nach mir geworfen.
Daniel steht neben ihr. Er hat alles gesehen.
„Du hinterlistiges Schwein!“
Blut spritzt, als seine kräftige Faust auf Tjadens widerstandslose Nase trifft.
„Maeve, wir fahren!“
„Aber…“ Erschrocken sehe ich zwischen den beiden Jungen vor mir hin und her. „Was ist mit ihm?“
„Tjaden kann sich ein Taxi nehmen“, antwortet Daniel erbarmungslos. „Wenn du jetzt nicht kommst, dann war’s das mit uns. Ein für alle Mal.“
Ich schlucke schwer und Daniel stellt sein Ultimatum noch einmal.
„Maeve, bitte“, wimmert Tjaden.
Ich zucke mit den Schultern und wende mich ab. Tjaden bleibt zurück, ich folge meinem Freund zum Auto und beschließe damit mein Schicksal.

Nach minutenlangem Schweigen bricht Daniel endlich die Stille. Es läuft Castle On The Hill im Radio. Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Horizont. Angespannt kauere ich auf dem Beifahrersitz.
„So ein blöder Sender. Dämlich, spielt nur dieses alte Zeug.“
Ich lache. Ed Sheeran ist ja nun wirklich kein Oldstar.
„Und irgendwann hören wir dieses alte Zeug dann im Seniorenheim“, träume ich.
„Meinst du uns zwei oder Tjaden und dich?“, fragt Daniel trocken.
Mein Seufzen ist laut.
„Daniel“, beschwöre ich ihn. „Ich liebe nur dich.“
„Wirklich?“
„Wirklich.“
Daniel nimmt die Augen von der Straße, sieht zu mir und küsst mich tief.
Ich versinke in seinen Lippen, dann verreist das Lenkrad, ich schreie und die Leitplanke durchbohrt den Wagen.
Ende.

© Rebekka Görtler 2023-08-13

Genres
Romane & Erzählungen