von Nicole Stabler
TRAUMFÄNGER
Ich klopfte dreimal an die Tür, bevor ich eintrat. Trotz des Klopfzeichens schreckte Freya immer hoch und ich konnte die Angst in ihrem Gesicht sehen.
Was hatte sie wohl alles durchmachen müssen?
„Warum so traurig?“, fragte sie sogleich nach und legte ihre Nähutensilien zur Seite.
Ich machte nur eine wegwerfende Handbewegung und setzte mich neben sie an den schlichten Tisch. Selbst im schwachen Kerzenlicht sah sie wunderschön aus.
„Nachtschatten und seine Isalie. Er will einfach nicht wahrhaben, dass er sie schon vor Jahren verloren hat. Und ich bin es Leid, ihm dies immer wieder sagen zu müssen, weil er dann jedes Mal wütend in die Nacht hinaus stürmt.“
Zaghaft griff sie nach meinem Unterarm. Ihr Hände waren wie immer eiskalt, doch ich zog meinen Arm nicht zurück.
„Die Liebe ist ein mächtiger Zauber. Keiner ist vor ihr sicher und manche zerbrechen an ihr. Du kannst nicht mehr tun, als für ihn da zu sein. Zerbrich dir bitte nicht immer den Kopf darüber, Wahrsager. Ich bin mir sicher, er wird zur Vernunft kommen und sich für sein Verhalten entschuldigen.“
Wie Recht sie mit ihren Worten hatte. Nach den letzten Wochen hatte ich keine Zweifel, dass Freya mehr war als eine gewöhnliche junge Frau. Ob sie eine Hexe war, wagte ich zu bezweifeln, aber sie schien mehr als nur eine Gabe zu besitzen. Eines ihrer Talente war, ihre Mitmenschen buchstäblich lesen zu können.
„Danke“, flüsterte ich und mein Blick verlor sich in ihren Augen.
Sie war so zerbrechlich. Sie war so wunderschön. Ob sie wusste, was sie in mir ausgelöst hatte?
Ich nahm ihre zierlichen Hände in die meinen. Sie ließ es geschehen.
„Freya, ich bin,… ich habe,… ich habe mich…“, ich stockte. Wie sagte man einer Frau, dass man sich in sie verliebt hatte?
Ein Lächeln umspielte Freyas Lippen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Was hatte dies zu bedeuten? Fühlte sie so wie ich oder machte sie sich über mich lustig?
„Traumfänger, ich…“
Plötzlich klopfte es an der Tür und wir schraken gleichermaßen auf. Freya entzog sich mir und versteckte sich unter dem Bett.
„Traumfänger, bist du da? Hör zu, du hattest Recht.“
Mein bester Freund hatte wie immer das beste Timing.
© Nicole Stabler 2024-03-06