Kapitel 8 – Vergissmeinnicht

Lea Chantal Röhse

von Lea Chantal Röhse

Story

Ich lag auf dem Boden und bemitleidete mich selbst. Ich wollte nicht mehr. Ich konnte es nicht. Ich ertrug diese ganzen schrecklichen Schicksale nicht mehr. Es waren erst 2, und doch kam es mir vor, als hätte ich jede einzelne Emotion gespürt. Als wären meine Träume so real, dass ich fremde Gefühle fühlte. Das war verrückt. Ich musste auf dem Teppich in diesem dunklen Gang eingeschlafen sein, denn als Nächstes klingelte mein Wecker. Ich stand auf, und auch wenn es mich wunderte, fühlte ich mich nicht so müde, wie ich es erwartet hätte. Vielleicht gewöhnte ich mich langsam an diese elendigen Träume. Als ich mich fertig machen wollte, folgte der Schock im Badezimmer. Verschlafen sah ich in den Spiegel und aus meiner Kehle brach ein schriller Schrei. Salem kam sofort angerannt und schaute sich suchend um, bevor er wirkte, als würde er lachen. Lachte mich dieses kleine, freche Katzentier etwa aus? Im Spiegel sah ich ausnahmsweise mein Gesicht, aber zwei breite Strähnen meiner hellen Haare hatten sich hellblau und rosa verfärbt. Ich drehte durch. Wie zur Hölle war das denn passiert? Meine Haare waren schon immer weiß – genetischer Fehler, die färbten sich nicht einfach um. Der Schock stand mir im Gesicht, während Salem sich auf dem Boden zusammengerollt hatte. Der Tag verging ebenfalls wieder etwas verworren. Die gleichen Tätigkeiten, das gleiche aufgesetzte Lächeln, nur neue Komplimente zu meinen komischen Haaren. Abends lief ich in meine Wohnung und schaute zu Salem. „Heute Nacht wird es wieder passieren? Ich werde wieder in diesem Gang sein, oder?“ „Miau.“ Das war die Antwort, die ich von meinem Kater erwartet hatte.

Und als hätte ich es vorhergesehen, stand ich wenige Augenblicke nach dem Einschlafen vor derselben Wand, in demselben Gang, mit einem anderen Spiegel. Er war aus Gold und wirkte teuer. Dazu stand dort der Name Amy und es hing bereits eine Phiole mit goldenem Pulver an der Wand.

Ich hatte noch nicht die Kraft, mich dem zu stellen, was hinter den traurigen Augen dieser jungen Frau auf mich wartete, und auch wenn ich es nicht verstand, machte es mir Angst. Ich war keine Superheldin, die einfach so 2 Leben leben konnte. Ich war niemand Besonderes. Ich war einfach nur Mallory. Die Mallory, die ihr eigenes Leben nicht im Griff hatte, die ihre eigenen Probleme nicht lösen konnte. Diejenige, die gerne studieren würde und doch ihr Leben in einer kleinen Buchhandlung am Stadtrand fristete. Diejenige, die sich früher jede Nacht in den Schlaf weinen musste und die niemals wieder freiwillig in eine Therapie gehen würde. Ich saß auf dem Boden gegenüber dem Spiegelbild des blonden Mädchens. Sie sah mich an und es wirkte, als würde sie in meine Seele blicken. Ich konnte beinahe spüren, wie sie nach mir rief. Ich hatte unendliche Angst. Was bedeuteten diese Träume und waren es überhaupt welche? (To-do: über Träume informieren). Warum fühlte ich mich, als hätte ich diese Leben gelebt bzw. gesehen, wie sie gelebt wurden? Warum sah ich, wie fremde Menschen sich etwas antun wollten? (To-do: über Statistiken dazu informieren). Eine einzelne Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel und rann meine Wange hinunter. Dieses Mal war es meine eigene Träne. Ich blickte auf und sah das bittende Gesicht von Amy. Ich nahm die Phiole und öffnete sie.

© Lea Chantal Röhse 2024-08-31

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional, Hoffnungsvoll, Mysteriös
Hashtags